Brüssel. Die Europäer ringen seit langem darum, die Wirtschaft zu beleben. Auf dem EU-Krisengipfel einigten sich Kanzlerin Angela Merkel und Co. auf einen 120 Milliarden Euro schweren „Wachstumspakt“. Er wirkt nur auf den ersten Blick imposant: Frisches Geld soll nicht fließen.
Einen Erfolg zumindest können Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihre europäischen Amtskollegen trotz aller Uneinigkeit vorweisen. Auf ihrem Krisen-Gipfeltreffen in Brüssel einigten sie sich am Donnerstag darauf, der flauen Wirtschaft Europas den dringend benötigten Schwung zu verleihen. Dazu schlossen die Staats- und Regierungschefs einen „Pakt für Wachstum und Beschäftigung“. So wollen sie 120 Milliarden Euro mobilisieren. Die Politiker verstehen den Pakt als Signal, dass sie in der Schuldenkrise nicht nur aufs Sparen setzen.
Vorige Woche hatten sich die größten Euro-Staaten Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien bereits auf den Pakt verständigt. Damals sprachen sie noch von 130 Milliarden Euro. Diese Summe entspricht etwa einem Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung Europas.
Nichts Neues im Wachstumspakt
Viel Neues ist aber nicht geplant. In dem Pakt-Papier fassen die Europäer lediglich das zusammen, was sie bisher auf staatlicher und EU-Ebene machen oder planen, um die Wirtschaft zu beflügeln. Das löst Kritik aus: Unter dem neuen Namen „Wachstumspaket“ listeten die Politiker Altbekanntes auf, heißt es. Unter anderem wollen die Politiker auf dem gemeinsamen europäischen Markt Hindernisse abbauen. Das soll Arbeitssuchende ermuntern, auch in einem anderen EU-Land einen Job zu suchen. Unternehmen sollen einfacher in anderen EU-Staaten tätig werden können.
Nein. Frisches Geld soll es angesichts der klammen Haushaltskassen vieler Länder nicht geben. Die Bundeskanzlerin bekräftigte, dass Sparen und Wachstum zwei Seiten einer Medaille seien. Im Zuge der Weltfinanzkrise, die 2007 in den USA begann, hatten die europäischen Länder Konjunkturprogramme ausgearbeitet. Das sollte Europas angeschlagene Wirtschaft stützen.
Wegen der milliardenschweren Konjunkturspritzen stieg der Schuldenstand Deutschlands und anderer Staaten teils deutlich. Das war eine der Ursachen für die aktuelle Staatsschulden-Krise, die den Euro-Währungsraum seit mehr als zwei Jahren erschüttert.
120 Milliarden Euro aus verschiedenen Maßnahmen
Wie kommen die Europäer dann auf die 120 Milliarden Euro, mit denen ihr Wachstumspakt dotiert sein soll? Sie rechnen einfach die finanziellen Mittel diverser Maßnahmen zusammen. So schlagen die Politiker vor, das Kapital der Europäischen Investitionsbank (EIB) aufstocken – um zehn Milliarden Euro. Deutschland müsste davon 1,6 Milliarden Euro beisteuern. Denn die Eigner der Bank sind die 27 EU-Staaten. Die EIB fördert diverse Wirtschaftsprojekte, zum Beispiel im Bereich der Energieversorgung, im Umweltschutz.
Wird das Kapital der Europäischen Investitionsbank wie geplant bis Jahresende um zehn Milliarden Euro aufgestockt, dann könne die Bank der Wirtschaftswelt 60 Milliarden Euro mehr ausleihen als bisher. Das wiederum veranlasse private Investoren, so glauben die Europäer, noch einmal die dreifache Summe in die Projekte zu stecken.
Die EIB soll auch „Projekt-Anleihen“ an private Investoren ausgeben. Diese können das günstig geborgte Geld in europäische Verkehrs-, Energie- oder Kommunikationsprojekte investieren. Die „Projekt-Bonds“ werden mit EU-Geldern abgesichert. Die neuen Anleihen müssen aber erst noch eine Pilotphase durchlaufen. Diese Phase, in der 230 Millionen Euro aus der EU-Kasse zur Verfügung stehen, müsse sofort starten, fordern die Staats- und Regierungschefs. Sie erhoffen sich damit private Investitionen von 4,5 Milliarden Euro.
Die restlichen 55 Milliarden Euro stammen aus den EU-Fördertöpfen. Die Europäer sollen diese Mittel künftig besser einsetzen, fordern Merkel und Co. Die EU-Fördergelder könnten genutzt werden, um Projekte zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit in Europa oder Projekte im Bereich Forschung und Entwicklung zu finanzieren. Auch Projekte, die das Wirtschaftswachstum ankurbeln, sollen EU-Fördergelder erhalten.