Berlin. . Eine Woche ist es her, dass der CDU-Politiker Peter Hintze in der Sonntags-Talkshow bei Günther Jauch seinen Parteifreund Christian Wulff vehement verteidigte. Was er nicht ahnte: Der Vermerk, der die Redlichkeit des früheren Ministerpräsidenten Wulff belegen sollte, ließ die Ermittler aufhorchen.

Dieser Mann hat Rechtsgeschichte geschrieben: Clemens Eimterbäumer ist der Oberstaatsanwalt, der mit einem Antrag auf Auf­hebung der Immunität des Bundespräsidenten den Sturz von Christian Wulff auslöste.

Was für Folgen sein Schritt haben würde, war dem Leiter der Zentralstelle für Korruptionsstrafsachen bei der Staatsanwaltschaft Hannover stets bewusst. Entsprechend schwer hatte sich Eimterbäumer die Entscheidung gemacht.

Nur einen Tag vor dem politischen Beben hatte der Ermittler im Hintergrund­gespräch vom inneren und ­äußeren Druck berichtet: Von Mails ­wütender Bürger, die der Justiz zu große Rücksichtnahme vorwarfen, und vom Wissen, dass er den Rücktritt des Staatsoberhauptes auslösen könnte. Den Ausschlag, den Anfangsverdacht der Vorteilsannahme gegen Wulff zu bejahen, brachten Akten der niedersäch­sischen Staatskanzlei – sie warfen ein neues Licht auf die Verbindungen des damaligen Ministerpräsidenten Wulff und des Filmunternehmers David Groenewold.

Der letzte öffentliche Verteidiger

Jetzt deutet vieles darauf hin, dass Eimterbäumer den entscheidenden Hinweis auf wichtige Unterlagen aus­gerechnet vom CDU-Politiker Peter Hintze erhielt, Wulffs letztem öffentlichen Vertei­diger – was Hintze wohl kaum beabsichtigt hatte.

In der Talkshow von Günther Jauch am Sonntag vor einer Woche hatte Hintze aus einem Vermerk zitiert, in dem Wulff als Ministerpräsident um besonders gründliche Prüfung von Bürgschaftszusagen an den befreundeten Groenewold gebeten habe. Das war neu: Weder die Staatsanwaltschaft noch der Landtag in Hannover kannten den Sachverhalt, über den die Staatskanzlei aber das Bundes­präsidialamt informiert hatte. Die Ermittler baten die Staatskanzlei sofort um die Unter­lagen.

Die Staatskanzlei war sehr kooperativ

Mit Erfolg: Die Papiere zum Komplex Filmbürgschaften mitsamt dem von Hintze ­zitierten Vermerk trafen am Mittwoch bei der Justiz ein. Die Staatskanzlei hatte sich, warum auch immer, sehr kooperativ gezeigt, die Übergabe erfolgte freiwillig, denn ein ­Ermittlungsverfahren gab es ja noch nicht.

Für die Ermittler stellte sich schnell heraus, dass die Papiere Wulff keineswegs entlasteten – auch das von Hintze zitierte Dokument nicht. Dabei handelte es sich um einen Bericht der Staatskanzlei aus dem Jahr 2009 zum Stand der Filmförderung und damit auch zum Stand von Landesbürgschaften an fünf Filmunternehmen, darunter eines von Groenewold.

Wulff hatte darauf tatsächlich handschriftlich vermerkt: „Bei allen Aktivitäten im Zusammenhang mit D. Groenewold bitte äußerste Zurückhaltung, um jeglichen Anschein von Nähe zu vermeiden. Hier müsste, wenn überhaupt, genau hingeschaut werden.“ Allerdings enthielten Wulffs Anmerkungen nach einem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Sonntags­zeitung“ auch noch eine zweite, ganz andere Botschaft – die Hintze wohl gar nicht kannte. Die Empfehlung des Berichts, wegen hoher Risiken des Landesengagements keine Film-Bürgschaften mehr zu gewähren, wies Wulff demnach als „überzogen“ zurück. Eine klare Ansage an seine Beamten.

Brüchige Verteidigungsstrategie

Wulffs Verteidigungsstra­tegie, er sei nie mit den Bürgschaften des Landes befasst ­gewesen, ist mit dem Papier brüchig geworden. Für die ­Ermittler erschien der Fall im neuen Licht: Der Unter­nehmer Groenewold hatte mit Partnern eine Filmproduktionsfirma in Hannover ­gegründet und Ende 2006 eine Vier-Millionen-Bürgschaft des Landes zugesagt bekommen – zehn Monate später machte Groenewold mit den Wulffs Urlaub auf Sylt und beglich die gesamte Rechnung per Kreditkarte, wie später auch bei einer Ferienwohnungsbuchung für die Wulffs auf Sylt.

Für Wulffs Darstellung, er habe Groenewold den Hotelaufenthalt von 800 Euro in bar bezahlt, sollen sich in seinen Kontoauszügen keine Belege gefunden haben.

Korruptions-Spezialist

Eimterbäumer und sein Team (zwei Frauen, ein Mann) hatten die Vorwürfe gegen Wulff wochenlang geprüft – jetzt entschieden sie gemeinsam, dass das Material reichte für den Anfangsverdacht der Vorteilsannahme gegen Wulff und der Vorteilsgewährung gegen Groenewold. Eimterbäumer (41), mit einer Rich­terin verheiratet, gilt als Spezialist für Korruptionsfälle.

Sein Job, sagt Eimterbäumer, habe ihn gelehrt, dass bei Korruption der Täter meist ähnlich aussehe wie die ­Ermittler: gut situierter ­Aufsteiger, männlich, selten vorbestraft.