Berlin. Auf der Suche nach einem neuen Kandidaten fürs Bundespräsidenten-Amt berät sich Bundeskanzlerin Angela Merkel am Samstag mit den Partei- und Fraktionsvorsitzenden von Union und FDP im Kanzleramt. Noch im Laufe des Tages könnten die Verhandlungen mit der Opposition beginnen, hieß es.
Nach dem Rücktritt von Bundespräsident
Christian Wulff sind die Partei- und
Fraktionsvorsitzenden von Union und FDP am Samstag zu Beratungen im Kanzleramt
zusammengekommen. Am Freitagabend hatte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)
bereits mit CSU-Chef Horst Seehofer und FDP-Chef Philipp Rösler zu einem
Sechs-Augen-Gespräch getroffen. Nun wurde der Kreis um Unionsfraktionschefs
Volker Kauder (CDU), seinen FDP-Kollegen Rainer Brüderle und
CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt erweitert. Die Beratungen der Koalition wurden nach knapp zwei Stunden beendet. Ergebnisse wurden nicht bekannt.
Merkel hatte angekündigt, den nächsten Bundespräsidenten im Konsens
mit SPD und Grünen wählen zu lassen. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier
und sein Grünen-Kollege Jürgen Trittin sagten am Freitagabend in der ARD, ein
Mitglied des Bundeskabinetts würden ihre Parteien nicht mittragen.
Unionsfraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier (CDU) kritisierte dies und warnte
vor Vorfestlegungen. Die Gespräche sollten ergebnisoffen sein, sagte Altmaier am
Samstag im Deutschlandfunk. Die SPD-Spitze betont seit dem Rücktritt Wulffs,
dass der frühere DDR-Bürgerrechtler Joachim Gauck weiterhin ihr Favorit sei.
Die potenziellen Nachfolger Wulffs
Joachim Gauck - hohes Ansehen über alle Parteien hinweg
Der studierte Theologe Joachim Gauck war Bürgerrechtler in der DDR und saß in der letzten, der einzigen frei gewählten DDR-Volkskammer. Der 61-jährige Rostocker leitete zehn Jahre lang die Stasi-Unterlagenbehörde und machte sich als Publizist einen Namen. Seine Kandidatur für SPD und Grüne für das Präsidentenamt 2010 brachte ihm über die Parteigrenzen hinweg hohes Ansehen ein.
Norbert Lammert - Querdenker im Bundestag
Bundestagspräsident Norbert Lammert gilt in der CDU als unabhängiger und manchmal unbequemer Kopf. Der 63-jährige promovierte Sozialwissenschaftler aus Bochum wird als geschliffener und oft humoriger Redner geschätzt. Bereits 2010 wurde ihm ein persönliches Interesse an dem Präsidentenamt nachgesagt.
Katrin Göring-Eckardt - Kandidatin mit kirchlichem Hintergrund
Die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt aus Thüringen genießt als langjährige Vizepräsidentin des Bundestags parteiübergreifend Respekt. Die 45-Jährige war beim Umbruch 1989 in DDR als Bürgerrechtlerin aktiv und ist Gründungsmitglied von Demokratie jetzt und Bündnis 90. Erstmals wurde die studierte Theologin 1998 in den Bundestag gewählt, ihre Schwerpunkte sind die Sozial- und Familienpolitik. 2009 wurde die Mutter von zwei Kindern zur Präses der Synode der Evangelischen Kirche gewählt.
Wolfgang Schäuble - das Urgestein der Union
Wolfgang Schäuble ist Urgestein der CDU und hat langjährige Erfahrung in Partei- und Ministerämter. Er war einst der aussichtsreiche und hoch gehandelte Nachfolger Helmut Kohls im Kanzleramt - was dieser allerdings verhinderte. Der promovierte Jurist aus Freiburg wird im Oktober 70 Jahre alt. Seit 2009 ist Schäuble Bundesfinanzminister.
Ursula von der Leyen - ehrgeizig, erfolgreich, unangepasst
Die Niedersächsin Ursula von der Leyen gilt als ehrgeizig und zielstrebig. Dabei scheut die 53-jährige Ärztin auch nicht den Konflikt mit der Union und Kabinettskollegen, wie ihre Positionen zu Betreuungsgeld und Frauenquote zeigen. Im Frühjahr 2010 kokettierte sie noch mit der Rolle als mögliche Kandidatin - wurde jedoch von Merkel ausgebremst.
Klaus Töpfer - der internationale Umweltschützer
Auch der Name des international anerkannten Umweltpolitikers Klaus Töpfer ist wieder im Rennen. Der gebürtige Schlesier hatte für die CDU bereits zahlreiche Partei- und Regierungsämter innegehabt, als er die Bundespolitik 1998 gegen den Posten als Chef des UN-Umweltprogramms UNEP tauschte. Im vergangenen Jahr leitete er die Ethikkommission, die Empfehlungen zum Atomausstieg erarbeitete. Er wäre möglicherweise akzeptabel im Lager von Koalition und Opposition, mit 73 Jahren aber auch ein Kandidat in Rentenalter.
Thomas de Maizière - Merkels Geheimwaffe
Verteidigungsminister Thomas de Maizière gilt als Merkels geheime Reserve und deshalb eigentlich als unabkömmlich in der Bundesregierung. Der promovierte 57-jährige Jurist aus Bonn kann auf jahrelange Erfahrung in Landes- und in der Bundesregierung für die CDU zurückblicken.
Viel Zuspruch für Joachim Gauck
Aus der FDP gab es Zuspruch für Gauck. Der schleswig-holsteinische
Fraktionschef Wolfgang Kubicki sprach sich im Deutschlandfunk für ihn als
Kandidaten aus. Der frühere Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde genieße im ganzen
Land hohes Ansehen und große Sympathie. Der frühere Bundesinnenminister Gerhart
Baum (FDP) sagte der "Welt am Sonntag", der parteilose Theologe komme für das
Amt "ernsthaft in Frage". "Gauck könnte das Amt des Bundespräsidenten wieder zu
dem Rang erheben, den es verdient."
Auch die Verhandlungen der Regierungsparteien mit der Opposition könnten noch am heutigen
Samstag beginnen. Wie die Nachrichtenagentur dapd am Samstag aus
Koalitionskreisen erfuhr, gilt bei Union und FDP die Prämisse, "so zügig wie nur
möglich" auf Sozialdemokraten und Grüne zuzugehen. In jedem
Fall solle der Kandidat noch vor Rosenmontag gefunden werden, hieß es. (afp/dapd)