Witten. . Im Sommer flüchteten Ziad, seine Ehefrau Roba und ihre Kinder aus Syrien. Jetzt wohnen sie in Witten. Im Gespräch berichten die Eltern vom Krieg, der Sorge um ihre Mütter und Spaziergängen an der Ruhr
Als Ziad Rustm, seine Ehefrau Roba Sabag-Rustm und ihre Kinder Ali und und Omar im vergangenen Juni nach Witten kamen, hatten sie nur einen kleinen Koffer dabei. Darin war das Nötigste: etwas Unterwäsche, Hosen, Pullover. Witten, das war nun ihre neue „Heimat“. Ein neues Leben begann, eines in Sicherheit. Endlich schlagen keine Bomben mehr in der Nachbarschaft ein.
Ziad, Roba, Ali und Omar haben bis zum vergangenen Jahr in Syrien gelebt, genauer: in Aleppo, der Stadt nahe der türkischen Grenze, die als eine Hochburg in dem Bürgerkrieg gilt, der in dem Land tobt. Nur 3800 Kilometer liegen zwischen Aleppo und Witten, in der heutigen Zeit ein Steinwurf. Und doch liegen Welten dazwischen. „Wir haben gedacht, alles wird besser in unserer Heimat“, berichtet Ziad. „Aber es wurde nicht besser. Es wurde immer schlimmer.“ Gemeint ist der Krieg. Die Flucht aus der Heimat - sie war wohl die schwierigste Entscheidung im Leben der jungen Familie.
Mutter riet Familie zur Flucht
Der 44-Jährige und Ehefrau Roba (32) sitzen bei Kaffee und einigen Süßigkeiten in den Räumen der Flüchtlingsberatung der Caritas, die unter anderem bei Behördengängen, der Wohnungssuche und beim Deutschlernen hilft. Sie seien sehr dankbar für die Hilfe, sagen die beiden. Heute erlauben die Eltern, an den teils schlimmen Erinnerungen aus Syrien, aber auch den ersten Eindrücken aus dem neuen Leben in Witten teilzuhaben.
Beide wirken verständlicherweise zurückhaltend, manchmal bedrückt und doch können sie beim Gespräch auch oft lachen, etwa, wenn es Schwierigkeiten bei der trickreichen Übersetzung vom Deutschen ins Arabische geht, bei der eine Libanesin hilft. Wenn er einmal die Sprache könne, wolle er vielleicht mit seiner Frau ein kleines Geschäft in Witten aufmachen, erzählt Ziad. Aber so weit ist es noch nicht. Noch muss die junge Familie ankommen in der neuen Welt.
Die Anfänge sind gemacht: Omar, 9, geht zur Grundschule, schnürt die Fußballschuhe im Verein, Ali, 12, bringt gute Noten in Englisch und Französisch nach Hause. „In Aleppo mussten wir Angst haben, dass den Kindern etwas passiert“, sagt Roba. Immer wieder hätten Bomben Schulen getroffen, viele seien zerstört. Omar und Ali wollten nicht mehr zum Unterricht, Ziads Mutter riet der Familie zur Flucht.
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Er habe nur Gutes von Deutschland gehört, sagt der Syrer. „Bekannte von uns hatten hier Medizin studiert.“ Von Syrien ging es erst in die Türkei, dann nach Deutschland. Das alte Leben, es war nun vorbei. Ein Leben, das beileibe nicht immer schlecht war.
Ziad erzählt von der Zeit vor dem Bürgerkrieg, der Millionenmetropole Aleppo, geprägt von Baumwoll-, Seifen- und Teppichindustrie. Der 44-Jährige verdiente sein Geld als Olivenbauer, zuvor arbeitete der gelernte Wirtschaftsassistent als Buchhalter in einer Medizinfabrik. Roba hatte ein Studium zur Sozialarbeiterin angefangen, dann aber für die Familie aufgegeben. Sie bereitete den Kindern Frühstück - meist Käse mit Oliven und Quark -half bei den Schularbeiten. Eigentlich ein ganz normales Leben.
Unternehmer gingen, Militär blieb
„Als der Bürgerkrieg ausbrach, sind viele Menschen geflüchtet, die Unternehmer haben kein Geld mehr verdient, die Firmen gingen kaputt“, sagt Ziad. „Nur das Militär ist geblieben.“ Gerade das macht ihm und Roba auch jetzt noch große Sorgen. Ihre Mütter sind noch in der Bürgerkriegsregion. Jeden Tag telefonieren sie miteinander, wenn es die Telefonleitung zulässt.
Die Situation vor Ort sei denkbar schlecht, sagt Roba: Es sei kalt, es gebe keine Heizung, kein Essen, nur eine Stunde Strom, „und manchmal tagelang kein Wasser“. Die Sorge um ihre Mütter - sie ist bei Ziad und seiner Ehefrau greifbar. Auch bei den Kindern. „Manchmal redet der Große von Oma und weint“, sagt die junge Mutter, die beim Gespräch zwar zurückhaltend, aber sehr selbstbewusst wirkt.
Am liebsten würden Ziad und Roba irgendwann wieder zurück in ihre Heimat nach Syrien, dann, wenn die Bomben nicht mehr fliegen. Das heißt aber nicht, dass es ihnen in Witten nicht gefallen würde. „Ich mag besonders die Ruhr. Ich gehe jeden Tag eine Stunde spazieren“, sagt Ziad. Und Roba meint: „Wenn meine Kinder hier bleiben wollen, dann würde ich auch hier bleiben.“