Witten. Regelrecht geschockt sind manche Wittener, die wieder einen Tisch bei der Tafelmusik buchen wollten. Die Preise dafür sind drastisch gestiegen.

Die „Wittener Tafelmusik“ zählt zu den beliebtesten Veranstaltungen im Jahreskalender der Stadt. Menschen kommen an einem hoffentlich schönen Samstagnachmittag im Sommer locker zusammen, plaudern, trinken und essen nach Herzenslust, treffen Bekannte und Freunde. So wie Tanja Schneider (48), die seit Jahren ihren Geburtstag an der langen Tafel feiert. Denn er fällt meistens mit dem „Tischlein deck dich“-Termin in der Fußgängerzone zusammen. Diesmal ist die Persebeckerin aber so angefressen, dass sie auf einen eigenen Tisch bei dem Picknick am 20. Juli verzichtet.

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Denn die Gebühr bei der 17. Wittener Tafelmusik ist ihr viel zu hoch. Statt 25 Euro kostet ein Tisch nun 45. „Und das für eine Biertischgarnitur mit Blümchen drauf und Tischnummer“, ärgert sich Schneider, die schon bei 25 Euro die „Schmerzgrenze“ erreicht sah. „Für 90 Euro (= zwei Tische) hätte man schon viel Bier kaufen können.“

Was die Freiberuflerin zuätzlich wurmt, ist die „Zwangsspende“, die ihr mit der Tischgebühr abverlangt werde. Tatsdächlich sind fünf der 45 Euro für einen guten Zweck bestimmt. Das Stadtmarketing unterstützt damit die Spendenplattform „Heimathelden“ der Volksbank Bochum/Witten. „Das ist schon frech“, findet die Endvierzigerin. „Ich möchte selbst entscheiden, wem ich wie viel spende.“ Davon unabhängig finde sie diese Plattform gut und gebe dafür auch immer wieder gern etwas, nur eben freiwillig.

Eigentlich hatte sich Tanja Schneider auf die Tafelmusik schon gefreut. „Das ist ja eine Superveranstaltung. Wie ein Klassentreffen“, sagt sie. Aber als „normale Familie“ könne man eine solche Tischgebühr doch gar nicht mehr bezahlen. „Das ist abschreckend und trifft eine Menge Leute.“

Die Meile zwischen Stadtgalerie und Berliner Platz hat sich inzwischen als fester Standort für die Tafelmusik etabliert. Früher fand sie noch abwechselnd auch in der Ruhrstraße statt.
Die Meile zwischen Stadtgalerie und Berliner Platz hat sich inzwischen als fester Standort für die Tafelmusik etabliert. Früher fand sie noch abwechselnd auch in der Ruhrstraße statt. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Reservieren kann man die Tische seit Dienstag (21.5.) beim Stadtmarketing. Dort sind die ersten Buchungen bereits eingegangen, ganz „ohne Beschwerden“, wie Geschäftsführerin Sandra Gagliardi sagt. Sie rechtfertigt die Preisexplosion um 80 Prozent mit den Kosten, die in den letzten Jahren zu einem Minus in der Kasse geführt hätten.

„Wir wollen keinen Gewinn machen, aber zumindest eine schwarze Null schreiben“, so Gagliardi. „Selbst wenn wir alle Tische vermarkten und 40 Euro brutto einnehmen, kommen wir noch nicht auf unsere Unkosten.“ Deshalb sind auch Sponsoren wie die Stadtwerke mit im Boot.

Wittener Stadtmarketingchefin: Weniger Tische, gestiegene Kosten

Gagliardi argumentiert damit, dass aufgrund der brandschutzrechtlichen Auflagen nach Corona statt 75 nur noch maximal 60 Tische zwischen Stadtgalerie und Berliner Platz aufgestellt werden dürften, sämtliche Kostenpositionen - vom Toilettenwagen bis zur Sanitäterbetreuung - bei gleichzeitig steigenden Preisen aber geblieben seien. Hier hätte längst eine Anpassung erfolgen müssen. Doch als neue Geschäftsführerin habe sie sich im letzten Jahr erst einmal einen Überblick verschaffen wollen. Dass die Tafelmusik-Gäste ihre Tische schon länger nicht mehr selbst mitbringen dürfen, hängt ihren Angaben zufolge ebenfalls mit den verschärften Auflagen der Ordnungsbehörden, sprich Feuerwehr, zusammen.

Gagliardi betont, dass das Stadtmarketing über die Tischgebühr hinaus „keinen Euro“ am Verkauf von Speisen oder Getränken verdiene. „Das ist nicht unser Bierstand und für den Cocktailstand des Lionsclubs Rebecca Hanf, dessen Erlös für einen guten Zweck ist, verzichten wir auf die Standgebühr“, sagt Sandra Gagliardi. Die Spende von fünf Euro, enthalten in der Tischgebühr, komme im Übrigen Projekten ansässiger Vereine zugute. „Das Geld bleibt also in Witten.“

„Die Veranstalung muss sich rechnen“: Stadtmarketing-Geschäftsführerin Sandra Gagliardi verteidigt die deutlich erhöhte Tischgebühr.
„Die Veranstalung muss sich rechnen“: Stadtmarketing-Geschäftsführerin Sandra Gagliardi verteidigt die deutlich erhöhte Tischgebühr. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Keine Grenzen sind den Wittenern wieder bei der Speise- und Getränkeauswahl gesetzt. Sie können alles mitbringen, was ihnen schmeckt, ob Frikas oder selbst gemachten Kartoffelsalat, Käsesticks oder leckere Spinatquiche, gefüllte Pizzabrötchen oder kalte Schnitzel, Bier, Wasser, Wein und Sekt. Nur Tanja Schneider wird ihre Geburstagstorte diesmal woanders anschneiden.

Tische für die 17. Tafelmusik können beim Tourist & Ticket-Service auf dem Rathausplatz gebucht werden. Ein Tisch für acht Personen kostet 45 Euro. Eine Reservierung dort ist erforderlich. Den Tischplan kann man sich im Netz herunterladen, www.stadtmarketing-witten.de/entdecken-erleben/veranstaltungen/tafelmusik.

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