Witten. Der Urgroßvater von Roberta Egelston stammt aus Witten, wanderte 1881 aus. Nun ist die Amerikanerin auf der Suche nach ihrer deutschen Familie.
Der Wittener Rudolph Heimann wanderte 1881 nach Amerika aus. Zeit seines Lebens kehrte er nie in die alte Heimat zurück. Nun, knapp 150 Jahre später, ist seine Urenkelin Roberta Egelston in der Ruhrstadt auf den Spuren ihrer Vorfahren unterwegs - in der Hoffnung, vielleicht einen oder mehrere Verwandte zu finden. Im Gepäck hat sie historische Fotos, die Teile ihrer Familie zeigen. Vielleicht erkennt ja der ein oder andere ein bekanntes Gesicht darauf?
Schon seit vielen Jahren erforscht die US-Amerikanerin ihre Familiengeschichte. „Alle meine Vorfahren waren deutschsprachig“, so die 77-Jährige. So heiratete ihr Urgroßvater 1884 eine deutsche Auswanderin aus Coburg. Und das zeigt sich bis heute in einer Familientradition: Bei Egelstons in Pittsburgh wird das Backen großgeschrieben - und zwar das nach alten deutschen Familienrezepten, die teils noch in deutschsprachigen Büchern zu finden sind. So kommen zu Weihnachten bis heute Spekulatius, Lebkuchen und Stollen auf den Tisch. Auch ihre Enkelkinder hat Roberta schon in die Kunst des „deutschen“ Backens eingeweiht.
Spurensuche in Witten gestaltet sich schwierig
Schon in den 1980er Jahren hat Roberta Egelston damit begonnen, ihre deutschen Wurzeln zu erforschen. Über einen Zweig der Familie - nämlich den ihrer Urgroßmutter Bertha Schuster - hat sie schon viel herausgefunden. Über ihren Urgroßvater Rudolph hingegen wusste sie lange Zeit nur, dass er aus Witten stammt. Und ihre Recherchen zum Verbleib der restlichen Familie in Deutschland und möglichen Verwandten gestalten sich schwierig.
Das liegt vor allem daran, dass nur der weibliche Teil der Familie Heimann in Witten und Umgebung blieb. Und Frauen tauchten in der damaligen Zeit nicht in Adressbüchern oder ähnlichen Dokumenten auf, außer etwa sie waren Witwen, wie Irene Rumpler vom Verein für Orts- und Heimatkunde in der Grafschaft Mark erklärt. Der Verein unterstützt das amerikanische Ehepaar in seiner Recherche und hatte für sie einen Rundgang zu Orten, die für die Familie wichtig waren, vorbereitet.
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„Vieles bleibt offen“
„Was offensichtlich ist, kann man zusammentragen, aber vieles bleibt offen“, so Rumpler. So lassen sich etwa aus Kirchenbüchern Geburtstage oder Taufdaten herleiten, ebenso Hochzeiten. Etwa die von Roberta Egelstons Ur-Ur-Großeltern. Die gaben sich 1854 in der Johanniskirche das Ja-Wort.
Das Paar hatte fünf Kinder, drei Mädchen und zwei Jungen. „Aber die Kinder wurden früh Waisen und getrennt“, weiß Egelston. Die beiden Brüder Rudolph und Robert wanderten später in die USA aus, die Schwestern Mathilde, Paulina und Auguste blieben in Deutschland.
Schwester lebte in der Johannis- und der Breite Straße
Eine von ihnen, Mathilde, lebte in der Johannisstraße 58 und später in der Breite Straße 83. Egelston weiß das, weil diese Schwester Witwe wurde und deshalb in den alten Adressbüchern auftauchte. Sie starb 1931. Wohnorte der anderen Schwestern konnten über die Namen der Ehemänner rekonstruiert werden.
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Die 77-Jährige glaubt, auch alte Fotos der Schwestern ihres Urgroßvaters zu besitzen. Sie stammen aus alten Fotobüchern, die Rudolph hinterlassen hat. „Aber wir konnten bisher niemanden eindeutig identifizieren“, sagt die Bibliothekarin im Ruhestand. Das gleiche gilt für weitere Familienaufnahmen aus Witten.
„Ich wollte sehen, wo mein Urgroßvater gelebt hat“
„Ich wollte sehen, wo mein Urgroßvater gelebt hat, wo er getauft wurde“, sagt Roberta Egelstone. Es sei toll, nun eine Vorstellung davon zu haben, wie es in dessen Herkunftsort aussieht - auch wenn sich seitdem natürlich viel verändert hat. „Aber die gleichen Gebäude anzusehen, die auch schon meine Vorfahren hier angeschaut haben, ist schon ein besonderes Gefühl.“ Gerne würde sie noch mehr über Rudolph Heimann und seine und damit ihre Familie erfahren. Denn er sei bei den Verwandten in den USA sehr beliebt gewesen. „Er muss ein wirklicher toller, netter Mensch gewesen sein.“
Der Besuch in Witten ist deshalb auch nicht das Ende ihrer Suche. „Es ist wie ein Puzzlespiel“, bestätigt Historikerin Irene Rumpler. Nun sei der Anfang gemacht. „Aber eine Frage bleibt offen: Wohnt noch jemand aus der Familie in Witten?“ Vielleicht können ja die Bilder einen Teil dazu beitragen, das Puzzle zu vervollständigen.
Hinweise an den Heimatverein
Die drei in Deutschland verbliebenen Schwestern Mathilde, Auguste und Paulina haben jeweils geheiratet und damit ihren Nachnamen geändert: Mathilde heiratete 1881 August Brodt, Auguste 1883 Gustav vom Bruch und Paulina 1885 einen Friedrich Gottmann. Dementsprechend tragen auch zumindest deren Kinder diese Namen.
Von Seiten Mathildes konnte der Heimatverein auch einige Nachfahren ermitteln. Die Spur verliert sich bei einer Waltraud Brodt, die am 24. September 1920 geboren wurde.
Wer jemanden auf den historischen Fotografien erkannt oder sonst Hinweise zu möglichen Verwandten von Roberta Egelston hat, kann sich an den Verein für Heimatkunde wenden unter der Mail irene.rumpler@vohm.de.
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