Witten. Nicht schon wieder! Anfang Mai sind die Küken des Wittener Storchenpaares geschlüpft. Nun ist der Nachwuchs bereits tot. Das steckt dahinter.
In den Sozialen Medien haben sich Wittenerinnen und Wittener in den letzten Tagen schon Sorgen um die in den Bommeraner Ruhrauen nistenden Störche und ihre drei Küken gemacht. Denn zeitweise haben beide Elternteile das Nest gleichzeitig verlassen - ein ungewöhnliches Verhalten. Nun herrscht traurige Gewissheit: Wie schon im Vorjahr haben es alle drei Küken nicht geschafft.
„Das letztjährige Drama hat sich wiederholt“, sagt Gerald Sell von der Naturschutzgruppe Witten (Nawit). Noch am Freitag vergangener Woche waren zumindest zwei der drei Küken noch wohlauf. Da war der WDR zu Besuch, um einen Bericht über das Wittener Storchenpaar zu drehen. „Die Küken waren gut zu sehen, wirkten sehr fit und mobil, haben aber auch stark gebettelt“, so Sell, der mit dem Fernseh-Team vor Ort war. Seine Sorge galt da zunächst noch dem dritten, dem jüngsten Küken.
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Nawit-Experte beobachtet, wie Storchenmutter ein totes Küken aus dem Nest wirft
Im Laufe des Wochenendes müssen dann aber auch die beiden anderen Küken gestorben sein. Sell war selbst Zeuge des traurigen Schauspiels. Am Sonntagabend (12.5.) musste er beobachten, wie die Eltern den letzten Jungvogel aus dem Nest beförderten. Das Küken sei da bereits tot gewesen. Ob die Storchen-Babys verhungert sind oder von den Eltern getötet wurden, ist wie auch im letzten Jahr nicht eindeutig zu sagen.
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Dass Störche den eigenen Nachwuchs töten und/oder aus dem Nest werfen, kommt in der Natur häufiger vor und wird als Kronismus bezeichnet. Ausgelöst wird ein solches Verhalten etwa durch Futtermangel oder Stress. Und genau das vermutet auch Experte Sell als einen der Gründe hinter dem erneuten Brut-Drama im Naturschutzgebiet Spiek. Das Verhalten der Eltern sei schon zuvor auffällig gewesen.
Storcheneltern sind ohne Nahrung zum Nest zurückgekehrt
So habe er bereits in der vorherigen Woche zweimal beobachtet, dass die erwachsenen Störche ohne Nahrung zum Horst zurückgekehrt sind. „Normalerweise würgt ein Elternteil sofort nach seiner Ankunft das Futter in die Nistmulde“, so der 65-Jährige. Tut er das nicht, hat er nichts gefunden. „Wir hatten acht Tage keinen Regen“, erklärt Sell die Essensknappheit. Denn Hauptnahrungsmittel für die Jungvögel sind in diesem Alter (die Küken waren circa zwölf Tage alt) Regenwürmer. Und die kommen bekanntlich nur bei Feuchtigkeit zum Vorschein.
Die Ruhrauen seien auch einfach nicht so ausgedehnt, wie andere Orte, an denen Störche nisten, etwa am Rhein. Auch sei das Gras dort derzeit noch zu hoch, etwa 60 bis 80 Zentimeter. „Da können die Störche ihre Beutetiere nicht mehr erkennen“, sagt Sell. Auch habe man die Eltern schon in drei bis vier Kilometern Entfernung gesichtet. „Auch das deutet darauf hin, dass sie im näheren Umfeld nichts gefunden haben.“
Storchenweibchen ist noch immer zu jung für Nachwuchs
Hinzu kommt: Noch immer ist die Storchenmutter sehr jung, nun gerade einmal drei Jahre alt. Eigentlich seien Störche erst ab dem vierten Lebensjahr langsam in der Lage, für Nachwuchs zu sorgen. „Erst ab dem fünften bis sechsten Jahr erreichen sie ihre richtige Geschlechtsreife“, so Sell. Gepaart mit der Nahrungsknappheit und dem dadurch ausgelösten Stress hat das wohl zum Tod der Küken geführt.
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Für eine erneute Brut in diesem Jahr ist es bereits zu spät. Sell ist aber guter Dinge, dass sich auf dem Storchenmast im Spiek dauerhaft Störche ansiedeln werden. Denn neben dem Elternpaar hätten auch noch einige andere Störche den Horst angeflogen. „Es gab mehrere Kämpfe um das Nest“, erzählt der Experte.
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Derzeit ist nur noch das Männchen im Nest
Aktuell sei auch das Männchen noch da. Das Weibchen hat wohl erst einmal das Weite gesucht. Doch schon im letzten Jahr war Frau Storch nach dem Brut-Drama verschwunden, ist aber nach zehn Tagen zurückgekehrt. Das Paar ist dann noch bis August in Bommern geblieben und Richtung Süden aufgebrochen.
Eigentlich hatte das Nawit-Team erwartet, dass das Weibchen zukünftig den Standort in Bommern meiden würde. „Denn so eine Verlustsituation bewirkt oft, dass Störche sich einen neuen Ort suchen, weit entfernt.“ Gleichzeitig sei aber auch die Bindung von Störchen zu ihrem Horst sehr hoch, höher als zum Partner. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass die junge Storchenfrau im nächsten Jahr erneut ihr Glück im Naturschutzgebiet Spiek suchen wird.
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