Witten. Die Freude über die Storchenküken in Witten war riesig. Doch nun herrscht traurige Gewissheit: Alle vier sind tot. Wie konnte es dazu kommen?

Wie groß war die Freude über die vier süßen Storchenküken in Bommern. Doch inzwischen herrscht traurige Gewissheit: Der gesamte Nachwuchs ist tot. Gerald Sell von der Naturschutzgruppe Witten ist erschüttert. Er vermutet, dass die Storcheneltern noch zu jung und ihrer Aufgabe nicht gewachsen waren.

Von Anfang an bangte der Fachmann, ob es wohl mit dem Paar und seinem Nachwuchs gut gehen würde. „Wir wissen anhand der Ringablesung, dass die Mutter gerade erst zwei Jahre alt ist.“ Geschlechtsreife sage in der Natur aber nicht unbedingt auch etwas über Brutreife aus. „Die haben Störche eigentlich erst mit vier oder fünf Jahren erreicht“, erläutert Sell. „Wenn sie in dem Alter drei Küken haben, dann ziehen sie ihre Nachkömmlinge auch erfolgreich groß.“ Erschwerend komme in Bommern hinzu, dass es gleich vier kleine Störche waren.

Schlimmer Vorfall bei einer Wanderung

Was sich nun genau im Horst abgespielt hat, darüber kann Sell auch nur spekulieren. Bereits seit acht Tagen hatte er von Stationen am Bahndamm des Ruhrtalradweges zwei Küken nicht mehr gesehen. Der Naturschützer beobachtete dort per Fernrohr aus einer Entfernung von 180 bis 190 Metern das Geschehen, um die Tiere nicht zu stören.

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Seit Anfang der Woche konnte er dann nur noch ein Küken ausfindig machen. Und als er am Mittwoch vor Fronleichnam mit einer Exkursionsgruppe - ebenfalls mit entsprechender Distanz - den Horst in Augenschein nehmen wollte, wurden die Teilnehmer Zeugen eines schlimmen Vorfalls. Das einzige noch überlebende Küken fiel aus dem Nest zu Boden. „Helfen konnten wir in dem Moment nicht mehr“, unterstreicht Sell.

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Dabei hatten die ersten Tage nach dem Schlüpfen Grund zur Hoffnung gegeben, das junge Paar komme mit seinen neuen Aufgaben hervorragend zurecht, sagt Sell. „Während das eine Tier auf die Küken aufpasste, holte das andere Nahrung heran.“ In den ersten Tagen stehen vor allem Regenwürmer und Schnecken auf dem Speiseplan für die kleinen Dötze, später können es dann auch schon mal Mäuse sein.

Von den vier Küken des Storchenpaares hat keines überlebt.
Von den vier Küken des Storchenpaares hat keines überlebt. © Niklas Maeder

Eltern fanden vermutlich kein Futter mehr

Eventuell sind die Eltern aber schon bald regelrecht in Panik geraten, weil sie keine Würmer mehr fanden, so Sell. Die regenreichen Tage sind längst vorbei, die Würmer verkriechen sich wieder tiefer ins Erdreich, Storchenmama oder Storchenpapa haben ihre liebe Not, an das Futter zu kommen, wenn es sie überhaupt schaffen. Eine andere, ansonsten erfolgversprechende Quelle ist momentan auch versiegt. Gemeint sind Heuwiesen, die Würmern Heimat bieten. Vielerorts habe sich aber das Abmähen verschoben, sagt Sell. Folglich sind die Kleintiere im Erdreich für Störche kaum erreichbar.

Möglicherweise seien die Küken daher verhungert. Denkbar sei aber auch, dass die Küken von Anfang sehr schwach waren. So oder so: Wenn die Eltern feststellen, dass ihre Kleinen so nicht überleben können, geraten die Tiere unter Stress, erklärt Sell. Es komme dann zu einem Hormonausstoß, der zu Übersprunghandlungen führen könne: Die Eltern töten ihre Jungen. In der Biologie spricht man von Infantizid oder Kronismus.

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Störstorche machen heimischen Tieren das Leben schwer

Sell bringt noch eine weitere Variante ins Spiel. In den letzten Tagen sind vermehrt „Störstorche“ aufgetaucht. Gemeint sind Eindringlinge in die Hoheitsgebiete hiesiger Adebare. „Wir sind uns ganz sicher, dass zwei solcher Exemplare auch auf dem Horst der jungen Familie gestanden haben“, sagt Sell. In der Regel komme es zu heftigen Kämpfen, die auch die Küken treffen könnten.

Für ausgeschlossen hält es Sell, dass die Menschen sich dem Horst zu sehr genähert haben. „Das kommt angesichts des abgelegenen Standorts so gut wie nicht in Betracht.“ Aber ab und zu überfliegen Hubschrauber das Gebiet, sagt der Experte. Auch das kann bei Vögeln Stress auslösen.

Bei aller Trauer ist natürlich die Hoffnung groß, dass sich im nächsten Jahr ein Storchenpärchen findet, das seine Küken ausbrütet und danach erfolgreich aufzieht. Die Begeisterung für den süßen Nachwuchs ist jetzt schon sicher.

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