Witten. Die Party beginnt am Bahnhof, wenn die Großen nach Köln und Düsseldorf fahren. Doch auch Witten kann ein bisschen Rosenmontag - mit Mini-Umzug.
Rosenmontag in Witten? Da fällt den Narren nicht so viel ein, wo sie feiern können. Der Zoch in Stockum ist längst Geschichte. Deshalb gibt‘s nur eins: Ab zum Hauptbahnhof und Richtung Rhein. Dort locken die Hochburgen mit viel Faschingstrubel. Während sonst Düsseldorf ganz klar Favorit war, erfreut sich diesmal auch Köln großer Beliebtheit. Die jüngsten Jecken hatten trotzdem in der Ruhrstadt ihren Spaß.
Montagvormittag kurz vor zehn am Hauptbahnhof. Viel ist noch nicht los. Dabei fährt der Regionalexpress in gut 20 Minuten durch bis Düsseldorf, wo später d‘r Zoch kütt. Die drei bunten Gestalten, die schon auf dem Bahnsteig stehen, warten allerdings auf eine andere Bahn Richtung Köln.
Astrid (49) ist mit Sohn Moritz (18) und Nichte Lena (18) unterwegs. Proviant im Rucksack und gute Laune im Gepäck. „Sonst sind wir auch schon mal in Dortmund gewesen. Aber jetzt darf es mal ein bisschen größer sein“, sagt Astrid, die schwarz-gelb gewandet ist. Allerdings hat sie sich nicht etwa als BVB-Fan verkleidet, sondern als Biene. „Ich wollte mal was Flottes sein.“ Und nach Köln fährt sie schon zum dritten Mal: „Da geht‘s mehr ab als in Düsseldorf.“
Das sehen die vier Pokémons, die noch vorm Gebäude stehen, anders. Sie wollen in Düsseldorf Karneval feiern, dort Freunde treffen und einfach mal abschalten. Patrick (24), Jenny (32) und Jenna (30) haben jetzt schon gute Laune - und sie steigt, als Pierre (23) und Fabian dazukommen. Letzterer ist noch in Zivil und zieht ein schwarz flatterndes Etwas aus einer Tüte, verheddert sich zunächst darin, doch steht bald als Nonne vor seinen Freunden. „Im Kloster war‘s mir zu still“, witzelt der 21-Jährige.
Auch Jakob (18), Julian (18) und Joschua (19) schwören auf Düsseldorf. „Da waren wir schon öfter, das kennt man besser.“ Die Schüler des Albert-Martmöller-Gymnasiums gehen als Bierflaschen und Koalabär. „Ich hab‘ das Kostüm im Internet gesehen und mich direkt verliebt“, sagt „Bierflasche“ Jakob. Das Motto des Trios beim Umzug: „Je voller, desto besser.“
Mittlerweile füllt sich der Bahnsteig mit bunt gekleideten Menschen. Ein Cowgirl zieht mit seiner superkurzen Hose, auf der Pailletten glitzern, viele Blicke auf sich. Zebra, Micky Maus und Schmetterling tummeln sich in der Menge.
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Besonders eindrucksvoll: Ikodia (46) und ihr Johnny (56). Sie im edlen schwarz-roten Fummel mit Federkrone und Fächer. Er mit klotziger Goldkette, goldenen Schuhen und Sonnenbrille. „Ich gehe als Lustmädchen und Johnny ist mein Zuhälter“, sagt Ikodia. Und Düsseldorf sei „die absolute Must-have-Geschichte“. Sie habe dort schließlich 17 Jahre lang gelebt.
Das Paar ist nicht allein unterwegs, sondern mit Kindern, Freunden und Nachbarn. Eine Frau hat sich mit buntem Kopftuch und langem Kleid eigenen Angaben zufolge als Zigeunerin verkleidet. Moment mal. Ist das nicht diskriminierend und deshalb tabu? Die 42-Jährige guckt ein wenig erschrocken. Darüber habe sie sich gar keine Gedanken gemacht. Ihre Begleiter winken ab - sie sehen das auch nicht so eng.
DJK Blau-Weiß Annen auf dem Weg nach Köln
Musik dröhnt aus einem Rucksack. Die Mitglieder der Volleyballabteilung der DJK Blau-Weiß Annen machen Party auf dem Bahnsteig. Sie frönen schon seit Weiberfastnacht dem Karneval. Nun sind sie auf dem Weg nach Köln, zum Beispiel als Tigger aus dem Kinderbuchklassiker „Winnie Puuh“.
Zu tierischen Kostümen haben auch Ellen (29) aus dem Wiesenviertel und Tiernan (37) gegriffen. Trotten als Eis- und Braunbär durchs Bahnhofsgebäude, tragen drunter sogar Thermowäsche. „Hauptsache warm“, sagt Ellen. Tiernan wird heute einen Kulturschock erleben, prophezeit sie. Denn er stammt aus Kalifornien, ist drei Monate zu Besuch in Witten und hat Karneval noch nie live erlebt. „It will be fun“, hofft er schicksalsergeben auf jede Menge Spaß. Ellen hat ihm nur eins eingetrichtert für den Besuch in Köln: Es heißt „Alaaf“ und nicht „Helau“.
Dann sind die beiden ebenfalls verschwunden. Stimmung verbreiten jetzt nur noch die Mitarbeiterinnen der „fröhlichen Bäckerei“ im Bahnhof, die ihrem Namen heute alle Ehre macht. Es gibt Berliner in allen Varianten, aber auch Deftiges.
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Julia schmiert gerade Mettbrötchen. Sie trägt - wie ihre Kolleginnen - ein Kätzchenkostüm. Luftschlangen und Girlanden hängen über der Theke. Im Hintergrund singt Vicky Leandros: „Nein, sorg dich nicht um mich. Du weißt, ich liebe das Leben.“ Auch das ein guter Plan für diesen Rosenmontag.
Zurück in der City, dröhnt plötzlich Musik durch die Fußgängerzone. Die OGS der Gerichtsschule macht wieder ihren eigen Zoch im Minformat. Mit Bollerwagen und Bonbons geht‘s zum Rathausplatz. Ein bisschen tanzen und ausgelassen sein. So in etwa könnte ebenfalls das Motto beim Kinderkarneval am Nachmittag in der Tanzschule Feldmann-Hartmann. Köln? Düsseldorf? Auch in Witten geht am Rosenmontag was.