Witten. Über Nacht begann für die Sondermanns in Witten ein Albtraum. Plötzlich waren bis zu 50 Ratten auf dem Grundstück. Und sie werden sie nicht los.

Als Kai Sondermann vor gut zehn Jahren ein riesiges Anwesen mit drei Häusern und viel Freifläche an der Wittener Straße kaufte, direkt gegenüber dem Schrottverwerter Bötzel, wollte er sich und seiner Familie einen Traum erfüllen. Doch die Begeisterung ist längst verflogen. Überall auf dem Grundstück laufen ständig Ratten herum. „Bis zu 50 haben wir schon gezählt“, sagt der 42-Jährige frustriert. Mittlerweile haben sie bereits Löcher in den Unterbau des komplett erneuerten Hausdachs gefressen.

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Die Unterschrift unter dem Kaufvertrag war noch nicht ganz trocken, da begann Kai Sondermann 2014 auch schon damit, die Gebäude herauszuputzen. Sie waren in die Jahre gekommen. Den Fachwerktrakt musste er allerdings abreißen und Stein auf Stein neu bauen lassen. Vollkommen morsch war auch das gesamte Dach. Ein neuer Dachstuhl und neue Pfannen mussten her.

Wenn der Eigentümer sich jetzt anschaut, was die Ratten angerichtet haben, ist er den Tränen nahe. Faustgroße Löcher klaffen in der Folie der Unterkonstruktion, Löcher, die die Ratten in die Dachhaut gefressen haben, um sich dann in der Dämmung aus Steinwolle Nester zu bauen. Es lagen auch schon viele tote Nager herum. Kai Sondermann befürchtet, dass das gesamte Dach wieder runter und ersetzt werden muss. Über die Kosten mag er lieber gar nicht nachdenken.

Wenn die Ratten Löcher in die Dachhaut gefressen haben, bauen sie Nester in der Dämmung.

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Wenn die Ratten Löcher in die Dachhaut gefressen haben, bauen sie Nester in der Dämmung. FUNKE Foto Services / Klaus Pollkläsener © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

Einen Köder nach dem anderen hat die Familie schon ausgelegt. „14 sind es aktuell“, sagt Lebensgefährtin Kathrin Royzcki. Beim Gang über das 1300 m² große Grundstück zeigt die 41-Jährige auf die Kotreste, die die Ratten hinterlassen haben. „Es ist einfach nur ekelig, vor allem sie wegzumachen.“ Die Haufen liegen vor allem auch dort herum, wo es sich die Familie gemütlich machen will: an der im freundlichen Blau gestrichenen Laube.

Mit Ködern versucht Kai Sondermann der Rattenplage Herr zu werden.

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Mit Ködern versucht Kai Sondermann der Rattenplage Herr zu werden. FUNKE Foto Services / Klaus Pollkläsener © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

Dass einmal solche Zustände herrschen würden, hätte sich der 42-Jährige lange Zeit überhaupt nicht vorstellen können. „In den ersten Jahren hatten wir hier noch keine Rattenplage“, sagt Kai Sondermann. Selbst der Hühnerstall, in dem die Nager jetzt zuhauf herumlaufen und schon Wände angefressen haben, lockte früher so gut wie keine Ratten an. „Mal sah man eine oder zwei. Aber dieses Ausmaß ist einfach nur unerträglich.“ Zu der Frage, woher die Ratten kommen, kann er nur Vermutungen äußern.

Keller läuft auch voll

Nun sind es aber nicht nur die Nager, die „uns ständig auf die Nerven gehen“, das Wasser im Keller tut sein Übriges. Jedes Mal, wenn es mal wieder in Strömen regnet, „laufen die Räume voll“. Die Wände seien schon arg in Mitleidenschaft gezogen worden, sagt Kai Sondermann. „Die Probleme sind aber erst nach dem Umbau des Kamperbachs aufgetaucht, vorher hatten wir Ruhe.“ Mit der ESW stehe er in Kontakt.

Auf Nachfrage bei der Stadt hieß es, dass der Kamperbach seinerzeit verlegt worden sei, weiter nördlich hinter die dort ansässigen Firmen und parallel zum Fuß- und Radweg. Dort habe sich auch vorher schon ein Entwässerungsgraben befunden, der nun zu einem „Gewässer umgewidmet wurde“. Das nehme auch Niederschläge von privaten Flächen auf. Ein unmittelbarer Zusammenhang mit den Folgen des Starkregens auf dem Grundstück an der Wittener Straße bestehe allerdings nicht.

Ein Kammerjäger hat folgenden Verdacht geäußert: Die Nager könnten durch die Renaturierung des nahen Kamperbachs und Kanalbaumaßnahmen entlang der Wittener Straße vertrieben worden sein. Eine neue Heimat dürften sie auf der dort gelegenen wilden Müllkippe neben der alten Ziegelei gefunden haben. Als die verfallene Ziegelei abgerissen wurde, war es mit der Ruhe für die Ratten vorbei.

„Direkt nach dem Abbruch begann auch hier die Katastrophe“, sagt Kai Sondermann, der als Werkstattmeister der Firma Bötzel gleich auf der gegenüberliegenden Straßenseite arbeitet. Die Stadt hatte sich seinerzeit für den Abriss entschieden. Sie befürchtete, dass die alten Gemäuer sonst hätten einstürzen können, in Folge der Vibrationen, verursacht durch schweres Baugerät bei der Sanierung der Wittener Straße.

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Die Version des Kammerjägers hält Sondermann durchaus für nachvollziehbar, nachprüfen lasse es sich aber kaum. Der Umbau des Kamperbachs ist weitestgehend Geschichte. Der Landesbetrieb Straßen NRW erneuert seit über einem Jahr die Wittener Straße und legt dazu auch neue Kanäle. Wenn Hinweise aus der Bevölkerung vorliegen, startet die ESW (Entwässerung Stadt Witten) Maßnahmen zur Rattenbekämpfung.

Nachdem sich Kathrin Rozycki bei der ESW gemeldet hatte, sicherte man ihr zu, Köder im Kanalnetz zu legen. Bleibt die wilde Müllkippe als mögliches Rattenquartier. Wie es mit der Kippe weitergehen soll, ist noch vollkommen offen. Der EN-Kreis möchte das gesamte Gelände eigentlich in eine Gewerbefläche umwandeln, doch der Eigentümer ist gestorben. Das Nachlassverfahren läuft noch. Die Sondermanns sind die Ratten noch nicht los.

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