Witten. Die Caritas in Witten sucht wieder rechtliche Betreuer. Das Ehrenamt ist spannender, als es klingt. Nur Formulare ausfüllen? Von wegen.
Wenn Menschen krank sind, im Heim leben, ein Handicap haben und keine Angehörigen, die ihnen zur Seite stehen, dann kommen oftmals rechtliche Betreuer ins Spiel. „Das klingt behördenmäßig, ist es aber nicht“, sagt Heidemarie Veidl von der Caritas in Witten. Deren Betreuungsverein - der einzige im EN-Kreis - sucht gerade wieder Ehrenamtliche, die diese Aufgabe übernehmen. Zwei, die den Job schon länger und mit viel Herzblut machen, erzählen, was das heißt.
Michael Fischer (72) gehört seit acht Jahren zum Team. Der ehemalige Sozialarbeiter betreut eine 52-jährige Frau mit geistiger Behinderung, die wie er auf dem Christopherushof lebt. Der Wittener kennt es nicht anders, als dass man sich bei Notfällen in der Familie umeinander kümmert. Einem Menschen helfen zu können, der niemanden hat, erfüllt ihn mit Freude. „Ich schreibe Anträge, kümmere mich um ihre finanzielle Situation und verweise darauf, wenn sich bei der medizinischen Situation etwas ändert.“
Doch das ist längst nicht alles. Er sei mit der Frau eine „Wahlverwandtschaft“ eingegangen, nennt Fischer es. Das heißt, er besucht sie auch privat. Selbst heikle Themen bespricht er im passenden Moment mit seinem Schützling. Neulich sei es etwa darum gegangen, wie sie sich ihre Beerdigung vorstellt. „Das hat eine tiefe Sinnhaftigkeit für mich.“
Engagement für die Gesellschaft
Auch Norbert Haß (75) ist ehrenamtlicher Betreuer, seit 2010 schon. Als sein Bruder starb, hat er die Betreuung für die eigene Mutter von ihm übernommen. Inzwischen betreut er seinen fünften „Fall“. „Und ich habe es nie bereut. Es hat mir immer viel gegeben.“ Haß, der früher bei der Stadtverwaltung gearbeitet hat, war auch schon Schöffe und hat im Wahlamt geholfen. „Für mich gehört ein gewisses Engagement in der Gesellschaft dazu“, sagt er.
Ob jemand eine rechtliche Betreuung bekommt, legt ein Betreuungsgericht fest. Man kann selbst um Hilfe bitten. Aber auch Angehörige, Nachbarn, Freunde oder etwa Mitarbeiter des Sozialdienstes im Krankenhaus können dem Gericht einen Hinweis geben, dass jemand sein Leben nicht mehr allein organisieren kann, erklärt Heidemarie Veidl von der Caritas.
Schulungen für ehrenamtliche Betreuer
Wer sich für die ehrenamtliche Aufgabe als rechtlicher Betreuer oder rechtliche Betreuerin interessiert, meldet sich Montag bis Freitag zwischen 10 und 12 Uhr telefonisch beim Caritas Betreuungsverein unter 02302 20 24 655 oder per Mail: Betreuung@caritas-witten.de.
Vier Schulungstermine stehen fest. Sie finden jeweils dienstags von 16 bis 18 Uhr statt. Los geht es am 5. März mit einer Einführung ins Betreuungsrecht. Am 12. März geht es um die Aufgaben der Rechtspfleger im Betreuungsverfahren. Die Lebenshilfe stellt am 19. März ihre Zusammenarbeit mit ehrenamtlichen Betreuern vor. Die Aufgaben eines rechtlichen Betreuers stehen am 26. März im Fokus.
1750 solcher Verfahren gab es im vergangenen Jahr in Witten. 550 Betreuer kamen daraufhin aus dem familiären Umfeld, 21 waren ehrenamtlich im Einsatz. Erst als letzte Möglichkeit springen Berufsbetreuer ein. Nach neuen gesetzlichen Vorgaben müsse dabei nach „Wunsch und Wille“ der Betroffenen gehandelt werden - und nicht mehr nur nach deren Wohl.
Wer sich für diese ehrenamtliche Arbeit entscheidet, besucht vor dem ersten Einsatz entsprechende Schulungen, etwa zur Einführung ins Betreuungsrecht. Auch danach steht keiner alleine da. Es gibt Info-Abende, einen Stammtisch oder der Ehrenamtler ruft mal eben bei den Expertinnen vom Betreuungsverein an, wenn ein Rat nötig ist. Putzen oder Aufräumen gehört übrigens nicht zu den Aufgaben.
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Im Prinzip kann sich jeder für das Amt melden. Dennoch: Ein gewisses Einfühlungsvermögen sei von Vorteil, sagt Heike Terhorst vom Betreuungsverein. „Wer Spaß am Umgang mit Menschen hat und bereit ist, Herausforderungen zu meistern, für den ist es das Richtige.“ Häufig würden Kontakte über die normale Betreuung hinaus entstehen - wie bei Michael Fischer und Norbert Haß. Dann trinkt man auch mal zusammen einen Kaffee. „Für den Betroffenen hat es eine große Bedeutung zu spüren, dass er nicht allein in der Welt ist“, sagt Terhorst.
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Er mache Abrechnungen auch nicht so gerne, fühle sich jedoch nicht als Sachbearbeiter, betont Michael Fischer. Für ihn stehe die menschliche Nähe im Vordergrund, etwas positiv für den ihm anvertrauten Menschen verändern zu können. In diesem Jahr möchte er zum Beispiel erreichen, dass die 52-jährige Frau einen Urlaub an der See verbringen kann.