Witten. Es geht kein Weg daran vorbei: Um weiter existieren zu können, müssen sich die evangelischen Gemeinden in Witten zusammentun. Was ist geplant?
- Mitgliederschwund und Personalmangel machen massive Veränderungen notwendig
- Nicht nur Annen, Rüdinghausen und Stockum müssen fusionieren
- Ehrenamtliches Engagement wird in diesen Zeiten noch wichtiger
Sie wissen schon lange, dass es so nicht weitergehen kann. Auch die evangelische Kirche leidet - wie die Katholiken - unter Mitgliederschwund und Personalmangel. Zum 1. Januar 2026 wird es deshalb nur noch drei große Gemeinden in Witten geben. In Annen, Rüdinghausen und Stockum laufen die Vorbereitungen schon auf Hochtouren, alle drei Stadtteile unter einen Hut zu bringen. Die rund 9300 Mitglieder müssen sich auf so manche Veränderung einstellen.
In Stockum bekamen die Teilnehmer der Gemeindeversammlung Ende November viele schlechte Nachrichten zu hören: Das Kirchendach hat einen Schaden, das marode Pfarrhaus steht zum Verkauf und die Pfarrstelle könnte länger unbesetzt bleiben. Am vergangenen Sonntag nun hat Pfarrerin Anke Leuning im Gottesdienst die Fusion mit den Nachbarn angekündigt. Das bedeutet: Abschied nehmen von Gewohntem. Aber auch die Chance, gemeinsam weiterbestehen zu können.
Alle Gebäude in Witten werden geprüft
„Natürlich ist es schmerzhaft, wenn jemand zum ersten Mal hört, dass das Gemeindehaus in Stockum aufgelöst wird“, sagt Anke Leuning, die den Umgestaltungsprozess nur noch wenige Monate begleiten wird. Es gebe Überlegungen, stattdessen das Gemeindehaus der Stockumer Katholiken mitzunutzen, dieses gar in ein ökumenisches Zentrum zu verwandeln.
Weitere Gemeinden planen Fusion
Nicht nur die Ev. Gemeinden Annen, Rüdinghausen und Stockum planen ihre Fusion. Zu Rüdinghausen gehört übrigens auch der Bereich auf dem Schnee, wo es noch einen Friedhof, eine Trauerhalle und ein Gemeindehaus gibt, in dem die Küsterin wohnt. In den anderen Ev. Gemeinden laufen „ähnliche Prozesse“, so Superintendentin Julia Holtz.
So gehe es um die Zusammenlegung der Gemeinden in Witten-Mitte (Trinitatis, Johannis, Martin-Luther) sowie im Südwesten (Bommern, Herbede, Wengern). Alle peilen als Termin der offiziellen Fusion den 1. Januar 2026 an. Damit würde es nur noch drei Ev. Groß-Gemeiden in Witten geben.
„Alle Gebäude in den drei Gemeinden kommen auf den Prüfstand“, betont indes Superintendentin Julia Holtz. „Wir brauchen diese Menge an umbautem Raum nicht.“ Als in den 50er und 60er Jahren die Kirchensteuer sprudelte, sollte möglichst jeder in Schlappen zum Gottesdienst kommen können, erklärt Holtz den damaligen Bau-Boom.
Die vier Kirchen wird es wohl nicht treffen, da allein drei denkmalgeschützt sind. Friedens- und Erlöserkirche wurden aufwändig renoviert und in Stockum kümmern sie sich schon um Gelder für die Reparatur des Kirchturms. Allerdings müssten zukünftige Pfarrerinnen und Pfarrer - zumal wenn sie keine eigene Familie haben - nicht mehr unbedingt in einem großen Pfarrhaus wohnen.
„Auch die Zeiten, in denen jede Gruppe ihren eigenen Raum hatte, sind vorbei“, erklärt Sabine Maiwald-Humbert, Pfarrerin in Annen, welche Auswirkung die Abschaffung der dreifach vorhandenen Strukturen noch haben wird. Und das ist längst nicht alles. Alle drei Gemeinden zusammen werden nur über zwei volle Pfarrstellen verfügen. Denn ab 2026 braucht es mindestens 4000 Gemeindemitglieder für eine 100-Prozent-Stelle.
Seit vier Jahren gemeinsam unterwegs
Fusion heiße jedoch nicht, dass alles nur noch zentral an einem Ort stattfindet, so die Superintendentin. Seniorenkreise zum Beispiel, die sich in den Gemeinden bewährt haben, könnten sicher weiterhin dort bleiben. Überhaupt sei man ja bereits seit vier Jahren gemeinsam auf dem Weg. So lange schon gibt es den Kooperationsausschuss.
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Das Tauffest im Annener Freibad haben die drei Gemeinden zusammen gefeiert. Ebenso gehören der Gottesdienst auf der Alm und die Gottesdienste in den Sommerferien zum festen Bestandteil des gemeinsamen Programms. „Unsere gemeinsame Jugend- und Konfirmandenarbeit ist herausragend“, sagt Jörg Latoschewski, Vorsitzender des Presbyteriums in Rüdinghausen. All das würde außerdem zeigen, dass längere Wege für die teils doch weit auseinanderiegenden Gemeinden nicht unbedingt ein Hindernis sind.
Wichtiger werde auf jeden Fall das ehrenamtliche Engagement, ist sich der Rüdinghauser Pfarrer Carsten Griese sicher. Dennoch werde es immer jene geben, die sich weiterhin nur in „ihrer“ Gemeinde einbringen. Und er glaubt: „Wir werden in diesem Prozess auch Menschen verlieren.“
Doch es führt kein Weg daran vorbei. Die Fusion ist beschlossene Sache, die offizielle Bestätigung nur noch ein formaler Akt. Ach ja, einen Namen braucht die neue Groß-Gemeinde noch. Denn „Witten-Ost“ - das ist bisher ein Arbeitstitel.
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