Witten. Die AfD leugnet im Wittener Saalbau den Klimawandel und wirbt für Atomenergie und Nord Stream 2. Tausende Demonstranten stellen sich dagegen.
Bei dem „Bürgerdialog“ der AfD in Witten ging es heiß her. Weil die Veranstaltung öffentlich war, trafen hier Anhänger und Gegner der AfD direkt aufeinander. Im Saalbau wurde gebuht, geklatscht und gebrüllt. Neben Energiepolitik und Werbung für russisches Gas stand auch das Thema „Remigration“ auf dem Programm.
Draußen, vorm Eingang, hat sich eine Schlange gebildet. An diesem Abend wird jeder abgetastet, der den Saalbau betreten will. Drinnen im Foyer herrscht eine gemischte Stimmung. Im unteren Bereich hat sich eine Gruppe Demonstranten gesammelt, die nervös den politischen Gegner beäugt. Oben auf der Empore stehen die Anhänger der Rechten. Man sieht den Wittener Ratsherrn und AfD-Fraktionschef Matthias Renkel. Er läuft durch die Reihen, schüttelt Hände und grinst dabei. Es wirkt ein wenig wie ein Klassentreffen.
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Rechte Positionen unterm Regenbogen
Im Vorfeld des Abends gab es viele Diskussionen um die Möglichkeiten des Kulturforums und der Wittener Politik, eine solche Veranstaltung zu verhindern. Klar ist: Das Kulturforum zeigt Flagge. Vor dem Saalbau wehen große Regenbogenfahnen und auch die Lichtinstallation im Foyer leuchtet in bunten Farben. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man denken, hier tagt die örtliche LGBTQ-Szene.
Direkt über dem Büfett hängt die Posterreihe „Annen zeigt Gesicht“. Während sich die Anhänger der rechten Partei mit Lachsschnittchen versorgen, werden sie mit der Wittener Vielfalt konfrontiert. Die AfD-Anhänger sind weniger vielfältig: Der Großteil ist männlich und grauhaarig.
Die Feindbilder sind klar
Die Stuhlreihen im schmucklosen Veranstaltungssaal sind fast vollständig gefüllt, als der Gong ertönt. Doch der Start verzögert sich. Ein Mann im Publikum überbrückt die Wartezeit mit Tiraden gegen jeden, der ihm ein Dorn im Auge ist: Fridays for Future, die Grünen, die Altparteien und so weiter. „Einen Ideologen kann man mit Sachargumenten nicht überzeugen. Das ist so und das bleibt so“, erklärt er seinem Sitznachbarn.
Nach einer kurzen Begrüßung durch den AfD-Bundestagsabgeordneten Roger Beckamp geht es auch schon los. Sein Parlamentskollege Jörg Schneider tritt vor die Sitzreihen. Er zweifelt den wissenschaftlich belegten Klimawandel an, sagt aber später, dass man die Investitionen in erneuerbare Energien besser in die Bekämpfung der Folgen des Klimawandels stecken solle. Für die widersprüchlichen Positionen wird er von den Demonstranten ausgebuht und seinen Anhängern beklatscht.
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Hitzige Szenen im Saal
Nach ihm ergreift der ehemalige Bundeswehr-Oberst und heutige AfD-Bundestagsabgeordnete Rüdiger Lucassen das Wort. Eigentlich war geplant, dass er über wehrpolitische Themen spricht. Diese reißt er zwar an. Dann konzentriert er sich aber darauf, die Grünen im Bundestag und die anwesenden Gegner zu beleidigen.
Lucassen spricht mit rollendem „R“ auch über „Rückführungen“. Die Stimmung heizt sich auf, das Publikum buht und klatscht um die Wette. Dann erhebt sich eine Demonstrantin mit augenscheinlichem Migrationshintergrund, breitet die Arme aus und fragt laut „Soll ich raus?“ Jemand ruft in ihre Richtung: „Wenn du arbeiten gehst, darfst du bleiben.“
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Dem nächsten Sprecher hat Rüdiger Lucassen in einer Lanz-Sendung „Volksverrat“ unterstellt, weil dieser in russischen Staatsmedien Verschwörungstheorien verbreitete. Heute steht er mit Eugen Schmidt auf einer Bühne. Schmidt wurde als Jewgeni Schmidt in der ehemaligen Sowjetunion geboren. Jetzt wirbt er mit breitem russischen Akzent für die Nutzung der verbliebenen Stränge von Nord Stream 2.
Trotz der aufgeheizten Stimmung im Saal und tausenden Demonstranten auf der Straße verläuft der Abend friedlich. Übrigens: Die Häppchen mit Putenbrust haben nicht wirklich geschmeckt. Und das Brot war pappig.
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