Witten. Um die 4000 Menschen haben in Witten gegen die AfD-Veranstaltung im Saalbau demonstriert. Die untere Innenstadt war stundenlang lahmgelegt.
„Es ist 5 vor 33“ oder „Schicht im Schacht für Rassismus“ und „Hass ist keine Alternative“: Mit Plakaten wie diesen haben sich Hunderte auf der Bergerstraße versammelt. Die Demo gegen den „Bürgerdialog“ der AfD im Saalbau ist noch größer ausgefallen als erwartet. Spricht die Polizei zu Beginn der Veranstaltung noch von etwa 800 Teilnehmern, sind es gegen 18 Uhr bereits um die 4000. Es kommen aber auch etliche Gäste, die zur AfD wollen. Jeder dürfe hinein, das ermögliche die Polizei, sagt Sprecher Jens Artschwager. „Mal gucken, was der Abend noch bringt.“
Allerdings dürfte es den Gästen der Rechtspopulisten gar nicht so leicht fallen, den Saalbau zu erreichen. Die Bergerstraße ist zwischen Kreisverkehr und Gericht dicht, dort ist kein Durchkommen. Dafür ist der Vorplatz vorm Saalbau frei, er wurde von der Polizei gesperrt. Der Durchgang am Stadtarchiv ist ebenfalls gesperrt. Artschwager: „Wenn einer kommt, der rein will, sorgen wir für einen Korridor.“
„Für Demokratie und Menschenrechte“ steht auf der Anzeigentafel des Saalbaus. Davor haben inzwischen die Reden begonnen. Wittens Bundestagsabgeordneter Axel Echeverria betritt die Bühne. Als er noch einmal öffentlich klarstellt, dass die CDU beim Protest nicht mitmacht, gibt‘s Buhrufe. Der SPD-Mann betont, er vermisse ein klares Statement von Bürgermeister Lars König. „Er hätte sich vor die Mitarbeiter des Kulturforums stellen müssen.“
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Der Bürgermeister ist derweil ebenfalls zur Demo gekommen. Er steht jenseits der Absperrung und hört zu. Er bestätigt noch einmal, die Veranstaltung sei rechtens. Auf Nachfrage sagt er, er selbst stehe nicht auf der Bühne, weil er nicht eingeladen worden sei - und er wolle sich auch nicht auf die Bühne drängen. Als er den Veranstaltern spontan noch angeboten habe, ein paar Worte zu sprechen, hätten diese abgelehnt.
Wittener Schülersprecher zitiert Bertolt Brecht
Dafür redet San Jola, der Schülersprecher des Ruhr-Gymnasiums. Er hatte bereits beim Gedenken zur Reichspogromnacht mit einer bewegenden Rede sehr beeindruckt. Nun betont er, man müsse die Demokratie verteidigen - auch gegen leichtgläubige Demokraten. Und er zitiert Brecht: „Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht.“ Leider ist vieles nicht zu verstehen, die Technik ist sehr schlecht auf dem Platz.
Die Emotionen der Demonstranten kochen noch einmal hoch. Es heißt, der Sprecher der AfD im EN-Kreis, Matthias Renkel, gehe durch die Menge und fotografiere die Teilnehmer. Doch dann geht er zum Einlass - schließlich wird es langsam Zeit für den „Bürgerdialog“.
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Jetzt kommen auch die Besucher der AfD-Veranstaltung. Security-Kräfte mit „Knopf im Ohr“ sichern den Einlass. Außerdem gibt es eine Leibesvisitation, nach Geschlechtern getrennt. Bei den Männern ist deutlich mehr los, die Frau hat quasi nichts zu tun.
Die Stimmung unter den Rechten ist positiv, es wirkt ein wenig, als hätten sie sich zu einem Klassentreffen versammelt. Zur Versammlung werden Canapés mit Lachs und Putenbrust gereicht. Eine Gruppe Linker, die unten im Foyer steht, wirkt etwas verloren.
Einer der Teilnehmer schimpft über die Jugend
Die Sitzplätze im schmucklosen Saal sind voll belegt, nur eine Handvoll Menschen sind unter 30, die meisten sind grauhaarig. Einer schimpft über die Jugend und sorgt sich um die Zukunft Deutschlands. „Ideologen wirst du niemals mit Sachargumenten überzeugen können“, sagt er.
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Und was sagen die Demonstranten? Monika Kasper (63) ist gekommen, „weil sie die Demokratie in Gefahr sieht“. Sie selbst habe viele ausländische Freunde. „Es wäre schrecklich, wenn die alle weg wären.“ Mari (16) „steht hier für ein friedliches Miteinander, Demokratie und Gleichberechtigung für alle. Wir müssen jetzt zusammen stark sein.“ Celia Unsworth (70) warnt vor dem Rechtsruck überall in Europa. „An Polen sieht man, wie schwer es ist, das wieder zurückzudrehen. Wenn die einmal an der Macht sind, ist es schon zu spät.“