Witten. Für seinen Foodtruck „Wrap Attack“ hat Marc Hengstebeck seine Stelle an einer Wittener Schule aufgegeben. Doch dann kamen Corona und Inflation.

Kurz vor der Verbeamtung hörte er auf. Marc Hengstebeck unterrichtete Kunst und Erdkunde am Wittener Ruhr-Gymnasium. Doch das Schulsystem war ihm zu eng, der kreative Drang zu groß. Also schmiss er den sicheren Job hin und stürzte sich in die Selbstständigkeit. Erst wird er Foodtrucker, dann Produktentwickler - beinahe steht er sogar von den Investoren der Vox-Sendung „Die Höhle der Löwen“. Doch längst unterrichtet er wieder.

Hengstebeck wollte zwar immer Koch werden, doch Restaurants waren „nicht sein Ding“. Als dann aber der Foodtruck-Trend aus den USA über den Teich nach Europa schwappte, „fand ich das irgendwie cool“, sagt er. Mit einem beweglichen Imbiss könne man Essen auf Veranstaltungen anbieten, außerdem könne man einen Truck kreativer gestalten. „Ich mochte es immer, mit Menschen zu arbeiten, aber das System hat so wenig hergegeben“, so Hengstebeck über seinen Job als Lehrer.

Wittener schildert: „Alle haben sich erstmal an den Kopf gepackt“

Nach anderthalb Jahren im Beruf schmiss er deshalb hin - für den Traum vom eigenen Foodtruck. In seiner Familie kam die Entscheidung weniger gut an. „Da haben sich erstmal alle an den Kopf gepackt. Vor allem meine Mutter.“ Er hätte sich mit viel Sicherheit ein schönes Leben machen können, klagte sie damals.

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Dabei hatte er sich intensiv vorbereitet, etwa ein Existenzgründerseminar besucht und ein Praktikum beim Wittener Foodtruck-Urgestein Joschka Glod absolviert. Ihm hat Hengstebeck einiges zu verdanken. Denn ohne Glod hätte die Sparkasse Witten ihm wohl keinen Kredit gegeben. „Sie kannten das Konzept schon.“ Der Burgertruck von „Snack‘n‘Roll“ stand damals direkt gegenüber der Hauptsparkasse - also in Sicht- und Riechweite der Geldgeber.

Auf der Speisekarten standen Wraps statt Burger

Burger wollte Hengstebeck keine braten, er setzte auf Wraps. „Man hat was Warmes, was Kaltes, was Frisches, was Knackiges und herzhaftes Fleisch. Diese Kombination fand ich immer spannend.“ Im Jahr 2016 ging der Verkauf an einigen Standorten in Dortmund los. Die Wrap-Rezepte hatte der studierte Pädagoge eigens entwickelt. Auch das Design des quietschgelben Trucks mit Comicfiguren auf der Seite stammt von ihm. Der ehemalige Kunstlehrer fand dabei die kreative Freiheit, die ihm an der Schule gefehlt hat.

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Doch die Selbstständigkeit war aufwändig. Teilweise habe er 100 Stunden pro Woche gearbeitet. „Einen Stundenlohn rechnet man sich da besser nicht aus, sonst fängt man an zu weinen.“ Noch mehr zu schaffen machten dem Jungunternehmer aber das Wetter und die Planung. Das Wochengeschäft war zu unbeständig. War die Nachfrage groß, fehlten zusätzliche Mitarbeiter. War sie zu gering, waren zu viele an Bord. Also schwenkte er um auf Caterings und Veranstaltungen, hier schienen die Risiken überschaubarer.

Corona: Lieferservice scheitert

Doch dann kam Corona und infolgedessen ein leerer Terminkalender. Also setzten Marc Hengstebeck und seine Frau auf einen Lieferservice und fuhren im Privatauto Essen aus. Zu Beginn der Pandemie lieferte „Wrap Attack“ noch Gratis-Mittagessen an 24 Pflegekräfte des Marien-Hospitals. Doch der Bringservice war nur eine Notlösung und die Lieferung im eigenen Auto nicht wirtschaftlich. Außerdem belasteten die vielen Arbeitsstunden die junge Familie.

Marc Hengstebeck hat auch Pfleger der Intensivstation des Marien-Hospitals in Witten mit einem warmen Mittagessen versorgt.
Marc Hengstebeck hat auch Pfleger der Intensivstation des Marien-Hospitals in Witten mit einem warmen Mittagessen versorgt. © WAZ | Hengstebeck

Um mehr Zeit für seine Familie zu haben, vermarktete Hengstebeck schließlich eine weitere Eigenkreation: den „Foodfinisher“. Die Flüssigwürzung hatte er ursprünglich für den Einsatz im Foodtruck entwickelt, um schnell aromatische Gerichte zubereiten zu können. Rund 140 Händler konnte er von seiner Idee begeistern, beinahe wäre der „Finisher“ auch im Regal eines Wittener Supermarktes gelandet. Anfangs verkauften sich die 14 Euro teuren Flaschen gut - bis die Inflation zuschlug.

Kein Geld für Luxusprodukte

In der Coronazeit hätten die Menschen mehr Geld für Lebensmittel und Luxusprodukte ausgegeben. Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine und der damit einhergehenden Inflation habe sich das schlagartig geändert. Über die Vox-Sendung „Die Höhle der Löwen“ versuchte Hengstebeck trotzdem noch, Investoren für seine Idee zu überzeugen. Doch das Produktionsteam entschied sich für einen Konkurrenten mit einem ähnlichen Produkt. Daraufhin zog der Jungunternehmer die Reißleine.

Heute arbeitet Marc Hengstebeck wieder als Lehrer, diesmal an einem Dortmunder Gymnasium. Dort genieße er mehr Freiheiten als in Witten, sagt er. „Ich bin ganz happy.“ Und mehr Zeit für seine beiden Kinder habe er nun auch.

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