Witten. Wer Unkraut nicht mit Pestiziden wie Glyphosat bekämpft, verbraucht mehr Diesel. Deshalb kritisiert ein Wittener Bio-Bauer die Kürzungen scharf.

Zur großen Bauern-Demo in Berlin am Montag (15.1.) ist Bio-Landwirt Dirk Liedmann (58) aus Witten nicht mitgefahren. Aber bei den lokalen Demos hat auch er sich mit seinen Traktoren eingereiht. Die Kürzungen beim Agrar-Diesel kritisiert der 58-Jährige als wirkungslos und sogar kontraproduktiv. Doch sie waren für ihn nur der absolut letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat.

„Es herrscht einfach eine absolute Unzufriedenheit mit der Politik. Und zwar nicht nur aktuell, sondern schon die letzten 20, 30 Jahre“, sagt Liedmann, der seit 1987 seine Felder ökologisch-nachhaltig nach den Richtlinien des Bioland-Verbandes bewirtschaftet. Und nun sei wegen der aktuellen Haushaltslage quasi über Nacht die Rückerstattung der Steuer auf Diesel für Landwirte gestrichen worden, ergänzt sein Geschäftspartner Stefan Pawliczek. „Aber wir haben ja keine Alternative.“ Denn anders als beim Auto könne ein Landwirt nicht eben mal auf einen E-Traktor umsteigen. Den gibt es nämlich nicht.

Stefan Pawliczek von der Kornkammer Haus Holte bei der Haferernte auf einem Feld im Tiefendorf in Witten.
Stefan Pawliczek von der Kornkammer Haus Holte bei der Haferernte auf einem Feld im Tiefendorf in Witten. © FUNKE Foto Services | Barbara Zabka

10.000 Euro mehr Ausgaben für Diesel ohne Subventionen

Etwa 10.000 Euro würde es die Kornkammer in Gedern kosten, wenn die Diesel-Subventionen vollständig wegfallen. „Aber diese Streichung hat absolut keine ökologische Lenkungswirkung“, kritisiert Liedmann. Gerade Bio-Bauern trifft sie überproportional. Denn während ein konventioneller Bauer seine Felder einmal mit einem Pestizid wie Glyphosat besprüht, bekämpfen Öko-Betriebe das Unkraut mechanisch. „Bei uns sind das vier bis fünf Arbeitsgänge“, so Liedmann.

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So werde das Feld mehrfach gegrubbert. Dabei wird die oberste Bodenschicht flach durchschnitten und die Unkrautpflanze von ihren Wurzeln getrennt. Dann vertrocknet sie. Etwa 40 Liter Diesel pro Hektar mehr verbrauche er deshalb als ein industriell arbeitender Bauer, sagt Liedmann. Doch es gebe auch konventionelle Betriebe in Witten, die Abstand von Glyphosat genommen haben und Unkraut mechanisch bekämpfen. „Die werden sich jetzt natürlich ganz genau ausrechnen, ob sie sich diese umweltschonendere Variante überhaupt noch leisten können“, sagt Liedmann. So mache die Kürzung beim Diesel das ökologisch sinnvolle Handeln für viele schwieriger. Die mechanische Unkrautbekämpfung werde „abgestraft“.

Heimisches Getreide muss im Supermarkt mit ausländischen Produkten konkurrieren

Hinzu komme: Während die Produktionskosten in den letzten 20 Jahren massiv gestiegen seien – etwa durch Löhne, Pachten, Treibstoffe und Maschinen – sei der Preis für ein Kilo Weizen noch der gleiche wie zu DM-Zeiten. Für die konventionellen Bauern seien zudem immer mehr Auflagen und Verbote hinzugekommen, etwa was den Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln angehe.

So schön blüht der Mohn in jedem Jahr auf einem Feld der Kornkammer haus Holte in Witten.
So schön blüht der Mohn in jedem Jahr auf einem Feld der Kornkammer haus Holte in Witten. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

„Aber wenn man einen höheren Standard will, muss man auch verhindern, dass billiger produziertes Getreide aus dem Ausland zu uns kommt“, sagt Liedmann. Das eben deshalb günstiger ist, weil es die strengen Umweltauflagen z.B. in Nord- und Südamerika nicht gibt. Gleichzeitig sei der CO₂-Ausstoß von importierten Produkten viel höher, als etwa bei heimischem Obst, Gemüse und Fleisch. „Aber das wird stillschweigend akzeptiert“, ärgert sich Stefan Pawliczek. Der Verbraucher werde fast immer die günstigere Variante im Supermarkt wählen. „Deshalb muss die Politik das regeln.“

Kornkammer Haus Holte vermarktet Getreide und Kartoffeln selbst

Die Kornkammer selbst ist von diesen Entwicklungen weitgehend unberührt: Zum einen arbeitet sie ohnehin nach den strengen Bioland-Vorgaben, die deutlich über alle EU-Richtlinien hinausgehen. Zum anderen vermarktet das Team alle seine Produkte selbst, kann also seine Preise weitgehend selbst bestimmen. Auf rund 280 Hektar Land bauen Liedmann und Pawliczek etwa Dinkel, Weizen, Hafer, Roggen und Kartoffeln an, ebenso Raps und Rotklee. Was sie aber trifft, ist die Vorgabe zur Stilllegung von vier Prozent ihrer Fläche. So will es die EU-Agrarreform von 2023. Die Maßnahme soll die Bio-Diversität fördern. „Dabei machen wir das doch schon, zum Beispiel durch unsere Mohnfelder“, so Liedmann.

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Doch Liedmann und Pawliczek haben auch das große Ganze im Blick. „Es wird immer mehr bio gefordert, aber nichts gemacht“, kritisiert Dirk Liedmann die Politik. Die gewünschte Entwicklung hin zu einer umwelt- und klimafreundlicheren Arbeitsweise in der Landwirtschaft müsse gezielt flankiert werden. Etwa durch die öffentliche Förderung von regionalen und Bio-Produkten in Kantinen, Mensen, beim Caterer und anderen Großküchen. „Denn etwa die Hälfte der Zeit essen wir ja außer Haus.“

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