Witten. Tonnenweise lagern Kartoffeln auf einem Hof in Witten. Der Landwirt ahnt, warum sie gerade keiner will. Ist die Bio-Knolle etwa einfach zu teuer?

Das hat Dirk Liedmann von der Kornkammer Haus Holte in Witten noch nie erlebt. Erstmals bleibt der Landwirt auf einem großen Teil seiner Bio-Speisekartoffeln sitzen. Rund 300 Tonnen wird er momentan nicht los. Er habe im gerade abgelaufenen Jahr 50 Prozent weniger an den Großhandel abgesetzt als noch 2021. Die Krise lässt grüßen. Doch an steigenden Preisen für seine Ware könne es nicht liegen, so Liedmann.

Säckeweise Kartoffeln: Landwirt Bernhard Pawliczek an der Verpackungsmaschine in der Halle der Kornkammer Haus Holte.
Säckeweise Kartoffeln: Landwirt Bernhard Pawliczek an der Verpackungsmaschine in der Halle der Kornkammer Haus Holte. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

In der großen Halle auf dem Gelände in Gedern, wo bis 2006 die Stadtgärtnerei ihren Platz hatte, rattern die Maschinen. Kompagnon Bernhard Pawliczek bereitet gerade die Banderole für die 12,5-Kilo-Säcke der Sorte Belana an der Verpackungsanlage vor. „Grün“ bedeute festkochend. Die Kartoffeln kullern aufs Band, werden gewogen und fallen dann in die Säcke. „Es gibt noch mehlige und vorwiegend festkochende Typen“, erklärt Pawliczek und nennt so schöne Namen wie Glorietta oder rotschalige Laura.

Wittener Betrieb hat keinen klassischen Hofladen

Alle sind auf den gepachteten Feldern des Bioland-Betriebs gewachsen, die sich im Revier zwischen Witten und Essen erstrecken. „Wir haben im letzten Jahr 21 Hektar angebaut und 750 Tonnen in sehr guter Qualität geerntet“, sagt Dirk Liedmann. Nun liegen die Holter Knollen in riesigen Kisten, die sich in der Halle und in der Kühlkammer stapeln, wo sie bei etwa fünf Grad lagern.

Landwirt Dirk Liedmann verkauft auf seinem Hof nicht nur Kartoffeln, sondern auch Gemüse, Mehl und Öl. Er betreibt aber keinen klassischen Hofladen.
Landwirt Dirk Liedmann verkauft auf seinem Hof nicht nur Kartoffeln, sondern auch Gemüse, Mehl und Öl. Er betreibt aber keinen klassischen Hofladen. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Einen klassischen Hofladen gibt es nicht am Gederfeldweg. Doch freitags können Kunden die Kartoffeln dort direkt abholen – außerdem Mehl, Haferflocken, Raps- und Mohnöl sowie Vollkornnudeln und etwas Gemüse. Liedmann liefert außerdem an den Trantenrother Hof, an den Regionalladen „Grüne Perle“ sowie an Boni, Edeka Grütter und Läden in anderen Städten.

Preise für Bio-Kartoffeln von dem Wittener Hof nicht gestiegen

Regionalladen unterstützt Haus Holte

Die Kornkammer Haus Holte am Gederfeldweg 37 ist freitags von 8 bis 17 Uhr geöffnet. Der Bioland-Betrieb produziert weit über den gesetzlichen Vorgaben der EU-Bio-Verordnung. Die legt fest, wie Lebensmittel, die als Öko-Produkte gekennzeichnet sind, erzeugt und hergestellt werden müssen. Wer mehr wissen möchte: www.team-kornkammer.de.

Der Regionalladen „Grüne Perle“ an der Bahnhofstraße will die nachhaltige Arbeit von Landwirt Dirk Liedmann unterstützen und hat die Aktion „Ruhrtalkartoffel“ gestartet. Die Sorten Marabel, Laura, Gunda und Nicola von Haus Holte gibt es dort in der Zwei-Kilo-Tüte für 4,90 Euro. Außerdem werden im Bistro in dieser Woche viele Gerichte mit den heimischen Knollen gekocht.

Sind Lebensmittel gerade insgesamt teurer geworden, so gelte das für seine Bio-Kartoffeln nicht, erklärt der Landwirt. Dabei habe auch er natürlich höhere Energiekosten. Dennoch kostet der 12,5-Kilo-Sack für den Endverbraucher weiterhin 19 Euro. Die Zwei-Kilo-Tüte gibt’s auf dem Hof für vier Euro. Im Laden koste sie etwa 4,70 bis 4,90 Euro. Der Handelspreis für lose Bio-Kartoffeln liege derzeit bei 50 Cent, der für konventionelle Ware bei 35 Cent pro Kilo.

Zu Beginn der Pandemie brummte der Verkauf noch. „Alle waren zu Hause und haben im Lockdown das Kochen für sich entdeckt“, erinnert sich Liedmann. Doch nun gingen die Kinder mittags wieder in die Schulmensa und Arbeitnehmer in die Kantine. Außerdem „geht der reine Kartoffelkonsum zurück und der Trend in Richtung Pizza, Reis oder verarbeitete Kartoffeln wie Pommes oder Chips“, sagt Geschäftspartner Bernard Pawliczek.

Auch der Trantenrother Hof spürt die Krise

Auch Bert Schulze-Poll vom Trantenrother Hof, hier mit seinem Geflügel, hat Umsatzprobleme.
Auch Bert Schulze-Poll vom Trantenrother Hof, hier mit seinem Geflügel, hat Umsatzprobleme. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Dazu kommt eine Erfahrung, die auch Bert Schulze-Poll vom Trantenrother Hof jetzt gerade besonders zu schaffen macht. „Es gibt das Stigma: Bio ist teuer. Deshalb ist es das Erste, woran die Leute sparen“, so der Landwirt. Das gelte auch für Wochenmärkte. Dort bietet er die Demeter-Produkte aus seinem Hofladen ebenfalls an.

„Heute hatte ich im Laden innerhalb von vier Stunden schon drei Kunden“, sagt Schulze-Poll an einem Werktagmittag gegen 13 Uhr und nimmt es mit Galgenhumor. Dabei seien auch bei ihm die Preise gleich geblieben. Mit Ausbruch des Ukraine-Krieges seien weniger Kunden gekommen. „Im Dezember ging dann gar nichts mehr, nicht einmal zu Weihnachten.“ Sein Umsatz sei um mindestens 30 Prozent zurückgegangen. „Es sind Wochenmärkte dabei, da bräuchte ich eigentlich gar nicht hinzugehen.“ Dienstags und mittwochs zum Beispiel – „da lege ich noch Geld drauf“.

Dennoch ist Durchhalten angesagt – bei ihm wie bei Dirk Liedmann. Wird der seine Kartoffeln nicht mehr los, dann würden sie für die Stärke-Produktion verwendet. Bedeutet: „Ich bekomme 43 Cent weniger pro Kilo.“ Doch weggeschmissen werde nichts. Liedmann: „Das kann man aber höchstens ein Jahr lang durchhalten.“ Deshalb wolle er zunächst den Kartoffelanbau um 20 Prozent reduzieren. Die 200 Tonnen Dinkel, die ebenfalls übrig sind, könne er zum Glück bis zum nächsten Jahr lagern. „Der hält sich.“ Bei den Kartoffeln dagegen sei spätestens im Juni Schluss.