Witten. Die Israelflagge, die Witten aus Solidarität am Kornmarkt gehisst hat, ist zum zweiten Mal abgerissen worden. So reagieren Bürger und Politiker.
Das Entsetzen ist groß. Schon zum zweiten Mal ist eine Israel-Flagge, die der Bürgermeister nach den Massakern der Hamas aus Solidarität am Kornmarkt hissen ließ, abgerissen und gestohlen worden. Diesmal suchten die unbekannten Täter nicht einmal mehr den Schutz der Dunkelheit. Es geschah am helllichten Tage – und offenbar ist keiner eingeschritten.
Da, wo am Freitagmorgen noch die blau-weiße Fahne Israels mit dem Davidstern im Wind flatterte, wehen am Samstagmittag nur noch die NRW-Flagge und die Deutschlandfahne. Die Fahne, die erstmals in der Nacht von Donnerstag auf Freitag geschändet wurde, war neu aufgehängt worden – und am Freitagmorgen laut Polizei gegen elf Uhr wieder abgerissen worden. „Ich bin wirklich erschüttert“, sagt Bürgermeister Lars König. „Das ist absolut nicht zu tolerieren.“
Täter drehen kurzes Video
Damit meint er einerseits den zerstörerischen Akt der Fahnenbeseitigung, andererseits aber auch das Zusehen und Schweigen von möglichen Zeugen am Kornmarkt. „Es muss welche geben“, sagt König, „Freitag am Kornmarkt.“ Unweigerlich drängt sich ihm da die Frage auf, „in welcher Stadtgesellschaft wir eigentlich leben“. Unverständnis herrscht am Samstag auch vor Ort, am Kornmarkt.
„Ich verstehe nicht, dass die Leute so gleichgültig sind“, sagt Taxifahrer Rafael (49). „Ich hätte zumindest gesagt: „Hey, was machst du denn da!“ Der 49-Jährige steht normalerweise am Bahnhof, wollte aber mal „wegen der Fahne gucken“, nachdem er gelesen hatte, dass sie in der Nacht auf Freitag abgerissen wurde, der Bürgermeister aber angekündigt hatte, eine neue hissen zu lassen. Rafael: „Ich habe mich schon gewundert, dass noch keine hing.“ Die Täter haben nur noch die Kordel am unteren Fahnenmast hinterlassen.
Geradezu „sprachlos“ ist Lisa (20), die gerade mit ihrer Freundin Emma (21) vorbeikommt und von der WAZ ein kurzes Video zu sehen bekommt, das die Täter von ihrer ersten Fahnenzerstörung in der Nacht zu Freitag gedreht und in den sozialen Medien hochgeladen hatten.
Es zeigt, wie einer der Beteiligten den Fahnenmast hochklettert, die Israel-Flagge herunterholt und dann am Boden auf ihr herumtrampelt. Aufnahmen, die der Polizei bei den Ermittlungen vielleicht helfen können. Der Täter, der den Mast hinaufstieg, hatte schwarze Haare, er trug laut Polizei helle Schuhe und helle Kleidung. Nach der Tat habe er sich mit der Fahne in Richtung Bahnhofstraße bewegt. Im zweiten Falle blieb die Flagge vor Ort liegen. Hier sucht die Polizei einen 20 bis 30 Jahre alten Mann mit ebenfalls schwarzen Haaren. Er trug einen weißen Pullover und Bluejeans.
Es sei sehr beunruhigend, sagt Lisas Freundin Emma, „dass schon so kleine Symbole der Solidarität für so viel Hass und Zerstörung herhalten müssen“. Bürgermeister Lars König spricht von großer Aggressivität und ganz gezieltem Handeln der Täter. Er wirft ihnen „dezidiert antisemitisches Verhalten“ vor.
Inzwischen haben sich auch die ersten Parteien bei Facebook zum Entfernen der Israel-Fahnen geäußert. „Die CDU Witten ist nicht nur betroffen von den Ereignissen in Israel, sondern auch von den Auswirkungen vor Ort in unserer Heimatstadt“, schreibt die Union. Sie fordert, diese Straftaten konsequent zu verfolgen. „Wir dulden nicht, dass von offensichtlichen Hamas-Sympathisanten und Antisemiten ein solches Symbol der Solidarität geschändet wird.“
Das Abreißen und Zerstören der Fahne, schreibt die Wittener SPD, „ist eine infame Tat, die wir zutiefst verurteilen. In unserer Stadt darf kein Platz für Antisemitismus sein.“ Diese Tat zeige in diesen Tagen erst recht, „wie sehr unsere Gesellschaft diesem entgegenwirken muss“.
Nun, Lisa, hätte da eine ganz praktische Idee. Man solle die Israel-Flagge doch vielleicht höher hängen. Sie schaut auf die Regenbogenfahne, die ganz hoch über der Mauer der Johanniskirche hängt. Klar ist: Die weiß-blaue Fahne mit dem Davidstern soll jetzt abermals gehisst werden. Bürgermeister König will den Tätern „keinen Millimeter Boden“ nachgeben. „Und wenn ich 50 Flaggen hissen lasse.“