Witten. Für viele Geschäfte wird es immer schwieriger, Fachkräfte zu finden. Offene Stellen bleiben länger unbesetzt. Das hat Folgen für die Kunden.

Überall werden derzeit Mitarbeiter gesucht. Und es ist zunehmend schwierig, offene Stellen zu besetzen. Auch die Agentur für Arbeit beobachtet, dass Stellenangebote in den vergangenen Jahren deutlich länger gemeldet waren als zuvor. Manche Geschäfte in Witten haben deshalb Öffnungszeiten verkürzt, fangen später an, hören früher auf oder bleiben einen Tag ganz geschlossen.

Über alle Branchen hinweg betrachtet, hat sich die durchschnittliche Zeit, die eine Stelle bei der Agentur für Arbeit für Witten ausgeschrieben ist, von 127 Tagen vor zwei Jahren auf mittlerweile 196 Tage verlängert.

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Busfahrer dringend gesucht

Zugleich waren aber aktuell im Vergleich zum Vorjahr kreisweit gut 400 offene Stellen weniger gemeldet. Scheinbar ein Widerspruch zu all den „Mitarbeiter gesucht“-Zetteln in Wittener Geschäften? Ulrich Brauer, Sprecher der Arbeitsagentur erklärt: „Die der Agentur gemeldeten Stellen bilden nicht die gesamte Kräftenachfrage ab. Arbeitgeber machen seit längerem die Erfahrung, dass es teilweise sehr schwierig ist, Personal zu finden, und melden diese Stellen gar nicht mehr.“ Brauer weiß, dass Unternehmen vielfach auch andere Wege gehen, um Personal zu finden, „zumeist auch mehrere parallel“.

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Das Problem betrifft nicht nur Handel und Handwerk. Auch Ärzte haben es schwer, Mitarbeiter zu finden. So sucht etwa Dr. Eva-Maria Grumpe für ihre Orthopädie-Praxis in der Bahnhofstraße 32 schon seit sechs Monaten eine Medizinische Fachangestellte. Alle Anzeigen waren bislang vergebens. „Ich brauche dringend eine Fachkraft – aber es meldet sich einfach niemand auf die Gesuche“, sagt die Ärztin.

Gern würde auch der Verkehrsbetrieb Bogestra noch mehr Busfahrer einstellen. „Doch wir spüren den Mangel an geeigneten Kräften“, sagt Sprecher Christoph Kollmann. Die Folgen bekommen die Kunden meist dann zu spüren, wenn die Personaldecke so dünn ist, dass Busse ausfallen.

Innungs-Obermeister Dieter Weidler beklagt den Fachkräftemangel in vielen heimischen Bäckereien.
Innungs-Obermeister Dieter Weidler beklagt den Fachkräftemangel in vielen heimischen Bäckereien. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Auch in heimischen Bäckereien fehlen Fachkräfte, sagt Innungs-Obermeister Dieter Weidler. „Die Betriebe suchen und suchen, vor allem Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für den Verkauf. Doch der Markt ist wie leer gefegt.“ Das trifft nach Kenntnis des 67-jährigen die in Witten beheimateten Geschäfte ebenso wie die auswärtigen Unternehmen mit örtlichen Filialen. Ein Ende der Engpässe sei momentan noch nicht abzusehen.

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Weidlers Amtskollege in der Friseur-Innung, Edgar Pferner, kennt die Nöte auch aus seiner Branche. „Seit Corona wird es immer schwieriger, Stellen zu besetzen, selbst für die Ausbildung findet man kaum noch Leute“, sagt der 71-Jährige. Manchen Friseurläden bleibe gar keine andere Wahl als Öffnungszeiten zu verringern.

14 Monate lang keinen Kraftfahrer gefunden

Kreisweit waren Stellen für „sonstige wirtschaftliche Dienstleitungen“, darunter auch Friseure, durchschnittlich drei Monate länger offen als vor zwei Jahren – insgesamt gut acht Monate. Im Gastgewerbe wurde statt zweieinhalb Monate durchschnittlich sieben Monate Personal gesucht. Absoluter Spitzenreiter ist kreisweit der Bereich der Berufskraftfahrer und Lagerarbeiter. Statt etwa fünfeinhalb Monate 2021 waren diese Stellen zuletzt im Durchschnitt mehr als 14 Monate unbesetzt.

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Abwanderungen in neuere Branchen, wie zum Beispiel hin zu Lieferdiensten, hat die Agentur für Arbeit nicht festgestellt. „In der Pandemie wurden aber bestimmte Jobs, z. B. im Gesundheitswesen, etwa bei Testzentren oder zur Nachverfolgung in den Kommunen attraktiv, insbesondere für solche Arbeitnehmer, die in den stark betroffenen Branchen Gastro und Teilen des Handels gearbeitet hatten“, berichtet Brauer. Doch viele dieser Stellen gibt es inzwischen ja nicht mehr.

Als Hauptursache für die Schwierigkeiten, offene Stellen in der Region zu besetzen, sieht der Agentursprecher vor allem „Verschiebungen der globalen Relation von Arbeitsuchenden zu offenen Stellen“. Brauer erläutert: „Je weniger Arbeitsuchende im Durchschnitt für eine offene Stelle geeignet sind, desto langsamer lässt sich eine Stelle besetzen.“

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Weitere Gründe sind laut Brauer zeitaufwendigere Auswahlverfahren, zu denen manche Unternehmen übergegangen sind. Zugleich beobachtet die Agentur auch, dass Erwerbslose bei der Suche nach einem Job durchaus eine längere Arbeitslosigkeit in Kauf nehmen. Zudem könnten, so der Sprecher, auch veränderte Prozesse der Agenturen dazu führen, dass Stellen länger offen bleiben.