Witten. Der Fachkräftemangel ist längst bei der Stadt Witten angekommen. Dem Kämmerer und Personaldezernenten schwant Böses, denkt er an die Zukunft.

Mit seinen 59 Jahren ist Kämmerer und Personaldezernent Matthias Kleinschmidt ja selbst so gerade noch ein Babyboomer. Jahrgang 1964. Über zwölf Millionen Menschen, die zu den geburtenstarken Jahrgängen gehören, gehen bis 2036 in den Ruhestand. Das hat enorme Folgen für heimische Arbeitgeber wie die Stadt Witten. Schon jetzt ist der Fachkräftemangel groß.

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„Wir werden massiv unter Druck stehen“, sagt Kleinschmidt, „Die Hälfte geht bis 2035“ – von heute 1500 Beschäftigten. „Die Frage ist, wie viele Stellen kann und muss ich besetzen, um arbeitsfähig zu bleiben“, so der Wittener Finanzchef. „Denn es folgen nur noch 60 Prozent.“ Gemeint sind die geburtenschwachen Jahrgänge, die einen Tanker wie die Stadtverwaltung in der Zukunft auf Kurs halten sollen, halten werden müssen. Dabei fehlt heute schon Personal an allen Ecken und Enden.

In Hattingen können sie einen Jugendtreff in Welper nicht öffnen, weil keine Sozialarbeiter da sind. Auch Witten kennt so was – etwa von den Kitas, weil Erzieherinnen fehlten. Auch sonst bekommt der Bürger Stellenengpässe immer wieder zu spüren, sei es in der Baubehörde, in den Schulen oder bei der Bürgerberatung. Letztere ist immer mal wieder telefonisch nicht erreichbar. Immerhin bekommt man online einen Termin für die Personalausweis-Verlängerung schon in den ersten Septemberwochen. Nicht so schlecht, verglichen mit mancher großen Nachbarstadt. Doch auch am Stadtbild insgesamt – viele klagen über zu viel Dreck – lässt sich der Personalmangel ablesen.

Stellen müssen immer wieder nachbesetzt werden: Doch das fällt in Zeiten des Fachkräftemangels zusehend schwerer. Stadtkämmerer und Personaldezernent Matthias Kleinschmidt macht sich Gedanken, wie die Arbeit in einigen Jahren noch zu bewältigen ist.
Stellen müssen immer wieder nachbesetzt werden: Doch das fällt in Zeiten des Fachkräftemangels zusehend schwerer. Stadtkämmerer und Personaldezernent Matthias Kleinschmidt macht sich Gedanken, wie die Arbeit in einigen Jahren noch zu bewältigen ist. © FUNKE Foto Services | Alexa Kuszlik

Von ganz akuten Notfällen weiß der Kämmerer, der sich in Personalunion um selbiges kümmern muss, momentan denn auch nicht zu berichten.. „Zum Start des Kita-Jahres waren alle Stellen besetzt“, verkündet Matthias Kleinschmidt gern die frohe Botschaft. Und schiebt hinterher: „Das kann sich aber auch schnell wieder ändern.“

Viele Erzieherinnen sind Teilzeitkräfte, sind jung, werden schwanger, wechseln – wobei Fluktuation mit zwei Prozent nicht das große Problem in Witten sei. Kita-Stellen werden sozusagen das ganze Jahr über ausgeschrieben. Wird jemand krank, ist sofort Not am Mann oder der Frau.

Aktuell hat die Stadt auf www.witten.de um die 16 Stellen zu vergeben, vom Fachinformatiker bis zur Müllabfuhr. Neue Erzieherinnen werden auch schon für das Ausbildungsjahr 2024 gesucht, auch im Hinblick auf den Rechtsanspruch, der ab 2026 für den Offenen Ganztag (OGS) besteht.

Ob bei der Müllabfuhr oder in der Baubehörde, als Fachinformatiker oder Gärtner: Die Stadt sucht in vielen Bereichen Leute.
Ob bei der Müllabfuhr oder in der Baubehörde, als Fachinformatiker oder Gärtner: Die Stadt sucht in vielen Bereichen Leute. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Drei IT-Kräfte werden gesucht, darunter ein Systemelektroniker. „Wir hoffen, die Stelle rechtzeitig nachbesetzen zu können, wenn ein Kollege in Ruhestand geht“, sagt Kleinschmidt. Bei der Müllabfuhr ist eine Stelle zu besetzen, bei den städtischen Gärtnern zwei – allesamt in eher niedrigen Entgeltgruppen.

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Aber auch deutlich besser bezahlte Jobs sind nicht mehr leicht zu besetzen. So werden Ingenieure in der Baubehörde zum Beispiel fast immer gesucht. Je nach Abschluss – Fachhochschule oder Uni – verdienen sie zwischen 3600 und 5500 Euro. Längst ist die Privatwirtschaft ein Konkurrent auf dem Stellenmarkt geworden. Die Haustechnik (Gas, Wasser, Sanitär) im Hochbau hat momentan besonders zu kämpfen. Jugendliche können sich die Stellen aussuchen. Die Wärmepumpe lässt grüßen. In der Verkehrsplanung, beim Radwegeausbau hat sich die Situation wieder verbessert.

Stadt Witten will mit guten Bedingungen punkten

Die Stadt lockt mit sicheren Arbeitsplätzen und Teilzeit, dualer Ausbildung, Praktika und Werkstudenten-verträgen. Durch die Zusammenarbeit mit Universitäten und Fachhochschulen hofft man, dass der ein oder andere hinterher in Witten fest anheuert. „Wir gehen auf jede Ausbildungsmesse, durch die weiterführenden Schulen und sind auf Instagram“, sagt der Personaldezernent. „Demnächst plakatieren wir auch mal unseren Müllwagen“ – mit QR-Code. Natürlich wirbt man auch damit, dass man „Beamter auf Lebenszeit“ werden kann, Pflegezeiten nehmen und aus dem Homeoffice heraus arbeiten kann, wenn man nicht gerade draußen oder mit Publikum zu tun hat.

16 Azubis werden jedes Jahr eingestellt, 60 gibt es momentan insgesamt, dazu 16 neue Anwärterinnen und Anwärter für die Feuerwehr – eine wichtige Reserve nicht zuletzt für Notfälle wie im Wohnungsamt, wo durch eine Gesetzesreform plötzlich zwölf zusätzliche Stellen beim Wohngeld erforderlich wurden. Kleinschmidt: „Sie sind noch nicht alle besetzt, aber die Arbeit ist zu bewältigen.“

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Unverhofft kommt oft, das gilt mitunter sogar für die Amtsleitung. Georg Thomys hatte gerade erst die Bauordnung übernommen und ist schon wieder weg. Hier hatte die Stadt Glück, konnte sie die Stelle doch kurzfristig mit Barbara Tebbe ersetzen, die lange Zeit die Bauberatung leitete.