Witten. Ines Großer kümmert sich als Behindertenkoordinatorin um die Inklusion in der Stadt. Doch wie barrierefrei ist Witten wirklich? Ein Interview.

Ines Großer ist seit 2017 als Behindertenkoordinatorin für die Stadt Witten im Einsatz – und damit auch für die Belange blinder Menschen wie Beate Telgheder zuständig. „Ich weiß, wie schwer der Alltag für viele Menschen mit Behinderung ist“, hat die 61-Jährige damals kurz vor Beginn ihrer Tätigkeit gesagt. „Ich würde da gerne helfen.“

Frau Großer, wie viele Menschen mit Behinderung leben in Witten?

Ines Großer: Wir hatten – Stand 31. Dezember 2022 – 98.701 Einwohner. Darunter waren 6.729 Personen mit einem Behinderungsgrad von 20 bis 40 Prozent und 12.768 mit einem Grad von 50 bis 100 Prozent. Es geht dabei um anerkannte Behinderungen.

Wittens Behindertenkoordinatorin Ines Großer bei der Vorstellung eines barrierefreien Projekts.
Wittens Behindertenkoordinatorin Ines Großer bei der Vorstellung eines barrierefreien Projekts. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Was tut sich denn aktuell in der Stadt, um diesen Menschen mehr Barrierefreiheit zu gewähren?

Es passiert viel. Alle Neu- und Umbauten, die irgendwo anstehen, werden barrierefrei gestaltet. Nehmen sie etwa das Rathaus oder – als großes Vorzeigeprojekt – das Bildungsquartier Annen. Beide Gebäude haben oder bekommen etwa eine Toilette für alle – mit Liege und Lift. Der Neubau der Uni und der Anbau am Albert-Martmöller-Gymnasium sind ohne Barrieren. Auch der Karl-Marx-Platz wird entsprechend geplant.

Wie viele Haltestellen in Witten sind barrierefrei?

Es gibt im Stadtgebiet 353 Steige, für 301 davon ist die Stadt zuständig, für den Rest der Kreis oder Straßen-NRW. Von unseren 301 Haltepunkten sind 112 barrierefrei. Das sind 37,2 Prozent. Es geht nach Priorität, also wie oft die Haltestellen genutzt werden. Stehen Straßensanierungen an, dann werden aber auch die Steige in diesem Bereich sofort mit umgebaut.

Woher weiß die Stadt, wo es besonders hakt?

Wir sind auf Tipps von Menschen mit Behinderungen angewiesen. Sehbehinderte und Blinde helfen uns beispielsweise bei der Einrichtung von Leitsystemen. Seit 2021 gibt es den Arbeitskreis Inklusion, in dem sitzen solche Menschen – gemeinsam mit Vertretern von Behindertenverbänden, aus Stadt und Politik.

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Jenseits von baulichen Veränderungen: Wie wird Inklusion in Witten noch gelebt?

Es gibt in Zusammenarbeit mit der evangelischen Kirche etwa den Arbeitskreis für inklusive Erwachsenenbildung. Da machen wir tolle Projekte für Menschen mit und ohne Handicap, gehen im Wald wandern oder bauen gemeinsam Nistkästen. Seit zwei Jahren bieten wir unseren städtischen Azubis außerdem an, zu erleben, wie man sich als Behinderter fühlt – mit schwarzen Augenbinden oder im Rollstuhl. Das ist außerordentlich lehrreich. Auch die Homepage der Stadt wird immer barrierefreier. Und demnächst stellen wir uns als assistenzhundefreundliche Kommune vor.

Witten ist also schon weit in Sachen Inklusion?

Ich finde, wir stehen gut da. Wir arbeiten mit Hochdruck daran. Ich weiß aber nicht, ob man es jemals schaffen kann, alles komplett barrierefrei und für alle zugänglich zu gestalten.