Witten. Im Wittener Rathaus gibt es jetzt eine Toilette für alle. Bislang ist das WC noch einmalig in der Region. Für wen das stille Örtchen gedacht ist.
Patricia Lork (23) ist von Geburt an mehrfach behindert. Wenn sie unterwegs dringend ein stilles Örtchen aufsuchen möchte, kommt sie mit einem üblichen barrierefreien WC nicht zurecht. Ihre Eltern, die sich rührend um die junge Frau kümmern, wollten diese missliche Lage nicht länger hinnehmen. Jetzt steht im Rathaus in Witten eine „Toilette für alle“ zur Verfügung.
Lifter und Liege gehören zur neuen Toilette im Wittener Rathaus
„Unsere Tochter ist nicht in der Lage, selbstständig auf die Toilette zu gehen“, sagt Mutter Birgit Lork (63). Das neue WC verfügt nun über die erforderlichen Extras, auf die Behinderte wie Patricia angewiesen sind. Sie brauchen einen Lifter, der sie auf das Klo hievt und zudem sei auch noch ein Liege erforderlich, sagt die Mutter. Denn die Tochter trage die ganze Zeit zur Sicherheit Windeln, die in regelmäßigen Abständen gewechselt werden müssen. Auf dem Fußboden einer öffentlichen Toilette sei eine solche Prozedur geradezu herabwürdigend.
Birgit Lork und ihr Mann Daniel (59) wandten sich vor einigen Monaten an die Wittener Behindertenkoordinatorin Ines Großer und erzählten eindrucksvoll von ihrem Alltag. „Ein längerer Aufenthalt in der Stadt mit unserer Tochter ist so gut wie unmöglich. Wenn die Windeln nass sind, können wir nicht mehr bleiben“, sagt die Mutter. „Wir wollen Patricia aber auch mal einen Einkaufsbummel ermöglichen oder mit ihr auf eine Feier gehen.“ In Kürze steht das Zwiebelfest an. „Da möchten wir gerne hin, früher war das nicht möglich“. Die Familie lebt in Annen und zwischendurch mal eben nach Hause fahren, dafür sei die Entfernung dann doch zu groß.
Behindertenbeauftragte setzt alle Hebel in Bewegung
Ines Großer setzte alle Hebel in Bewegung und stieß in der Verwaltung auf offene Ohren. Das Rathaus wird derzeit ohnehin umgebaut und behindertengerecht ausgestattet. Rückendeckung gibt es zudem von derc Stiftung Leben pur. Für sie ist die Toilette für alle ein dringendes Bedürfnis. Denn gerade in Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen sind solche WCs noch immer eine Seltenheit. Die nächstgelegenen, von Witten aus betrachtet, sind in Xanten und Osnabrück zu finden.
Es gebe viel mehr Menschen als man denke, die auf solche WCs angewiesen sind, heißt es vonseiten der Stiftung. Etwa: Behinderte mit einer hohen Querschnittslähmung, Schädel-Hirn-Trauma oder auch stark Pflegebedürftige und Menschen, die an Demenz erkrankt sind.
WC befindet sich aus gutem Grund an einem abgelegenen Ort
Patricia Lork leidet unter dem Rett-Syndrom, einem genetischen Defekt, der viele Körperfunktionen erheblich einschränkt und zu einer geistigen Behinderung führt. Die Eltern setzen sich nun mit aller Kraft dafür ein, dass ihre Tochter möglichst selbstständig leben kann. Oftmals ist sie auch mit Assistenzhelfern unterwegs, die sie auf Touren durch die Stadt begleiten.
Sucht sie die Toilette im Rathaus auf, muss sie bis in den dritten Stock. „Etwas abgelegen zwar“, sagt der zuständige städtische Projektleiter Matthias Feller, aber der Ort sei aus gutem Grund gewählt. Hier sei es etwas ruhiger, weniger Publikumsverkehr. „Wir finden das sehr angenehm. Eine Toilette im Erdgeschoss würden wir viel zu lange blockieren“, sagt Birgit Lork. Für das Windelwechseln gehe mindestens eine halbe Stunde drauf, wenn nicht sogar noch mehr Zeit.
Damit die Toilette auch gefunden wird, hat die Stadt eigens Schilder anbringen lassen. Die Behindertenbeauftragte hofft nun, dass Wittens Beispiel Schule macht.