Witten. Als Baby kam der Junge zu Daniela. Doch erst Jahre später erfuhr die Pflegemutter, warum er so anders war. Die Diagnose: FASD. Was ist das denn?

Daniela (42) hat zwei Pflegekinder und einen leiblichen Sohn. Eines der beiden Pflegekinder kam im Alter von 18 Monaten zu ihr. „Der Junge war sehr klein für sein Alter und hibbelig, hat wenig gegessen“, erinnert sie sich. Ihr sei schnell klar gewesen, dass da etwas nicht stimmt. Doch die Diagnose bekam der inzwischen 15-Jährige erst vor zwei Jahren: FASD. Was ist das denn?

Die vier Großbuchstaben stehen für Fetal Alcohol Spectrum Disorder, also fetales Alkohol-Syndrom. Es handelt sich um entwicklungsneurologische Störungen eines Kindes, dessen Mutter in der Schwangerschaft Alkohol getrunken hat. Bis Daniela davon erfuhr, hatte sie einen Spießrutenlauf hinter sich. Und ihr Pflegesohn, nennen wir ihn Ben, verschiedene Therapien.

Pflegemutter: DRK-Beratungsstelle hat uns geholfen

Gemeinsam für mehr Lebensqualität: Daniela (li.) ist die Pflegemutter eines Kindes mit fetalem Alkohol-Syndrom. Catrin Schmock-Ocken leitet die FASD-Beratungsstelle des DRK in Witten, in der Angehörige und Betroffene Unterstützung finden.
Gemeinsam für mehr Lebensqualität: Daniela (li.) ist die Pflegemutter eines Kindes mit fetalem Alkohol-Syndrom. Catrin Schmock-Ocken leitet die FASD-Beratungsstelle des DRK in Witten, in der Angehörige und Betroffene Unterstützung finden. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

„Zunächst lautete die Diagnose auf ADHS“, sagt Daniela. Auch vier Großbuchstaben, die jedoch Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung bedeuten. Ben erhielt eine Therapie gegen seine Lese-Rechtschreibschwäche, ging zur Ergotherapie. „Doch nichts half richtig“, sagt seine Pflegemutter. Der Junge war auffällig in der Schule, „der Klassenclown“. Oft habe er sich distanzlos verhalten, konnte Risiken nicht einschätzen. „Ich habe ihm Angst gemacht, damit er nicht einfach vor ein Auto gelaufen ist“, nennt Daniela ein Beispiel.

„Es ist schön zu sehen, wenn jemand glücklich ist“

Eines Tages rief ihre Schwiegermutter an. Sie hatte gerade eine TV-Reportage gesehen über Kinder, die Schäden davongetragen hatten, weil ihre Mutter in der Schwangerschaft zur Flasche gegriffen hatte. „Die Symptome passten genau“, sagt Daniela. Der ersten Erleichterung folgte die Ernüchterung: „Überzeugen Sie als Pflegemutter mal einen Arzt davon, dass Ihr Pflegekind eine entsprechende Diagnostik bekommt.“ Zumal selbst viele Ärzte FASD überhaupt nicht kennen würden.

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Seit zwei Jahren weiß die Familie nun, warum Ben ist, wie er ist. Auch der Junge kennt die Diagnose. Daniela: „Wir sind sehr offen damit umgegangen.“ Echte Hilfe und Unterstützung erhielten die Pflegemutter, vor allem aber Ben schließlich von der FASD-Beratungsstelle des DRK in Witten, die es erst seit knapp einem Jahr gibt. „Ben war der Erste auf der Warteliste.“

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Der Junge habe sich für sein Anderssein geschämt. „In der Beratungsstelle hat er gelernt, dass es noch andere Menschen gibt, die so sind wie er.“ Dadurch, ist seine Pflegemutter froh, sei sein Selbstwertgefühl enorm gestiegen, nehme er sich nun ganz anders wahr. Das mache auch den Alltag der Familie leichter. Daniela: „Es ist schön zu sehen, wenn jemand glücklich ist.“