Witten. Keine Wünsche ließ die 16. Tafelmusik am Samstag in der Wittener City offen. Einer der ältesten Teilnehmer unterhielt Gäste vor der Stadtgalerie.
Helmut Grabow lässt sich nicht lange bitten. Mit Helmut Heemann stimmt der 94-jährige Alterspräsident des Wittener Ruderclubs auf dem Banjo und der Ukulele ein echtes Heimatlied an. „Witten, Sehnsucht meiner Träume.“ Es dauert nicht lange und der ganze Tisch von der Stadtgalerie singt mit. Das ist nur einer von vielen wunderbaren Momenten bei der 16. Wittener Tafelmusik am Samstag gewesen. Witten, wie es singt und lacht, trinkt und isst, plaudert und sich zuprostet. Der Dauerbrenner unter den wenigen wirklichen Stadtfesten vor Ort war einmal mehr ein voller Erfolg.
Wie konnte es auch anders sein bei diesem Wetter. Als hätte sich Petrus mit den Veranstaltern vom Stadtmarketing abgesprochen. Es ist nicht zu warm und nicht zu kalt, es geht ein leichter Wind und die ersten Regentropfen sind erst nach 22 Uhr zu spüren, als die über 50 Tische schon abgebaut werden.
Es gibt nicht mehr die lange Tafel in Witten wie früher auf der Ruhrstraße
Zum zweiten Mal hintereinander nach 2022 haben die Gäste Tupperdosen und Kühlboxen zum Berliner Platz getragen, dem Mittelpunkt, aber auch zum City-Bogen und zum Vorplatz der Stadtgalerie. Es gibt nicht mehr die lange Tafel, wie wir sie von früher kennen, etwa von der Ruhrstraße, dafür punktuelle Schwerpunkte.
Der Tisch, den Marlies Harprecht (56) für sich, ihre Freunde und Familie gebucht hat, steht auf dem Berliner Platz. Er ist rot-gelb in den Farben Spaniens geschmückt. Die „Tafelmusikgruppe“ bei Whatsapp wählt jedes Jahr ein Motto, im Vorjahr war es Griechenland. Entsprechend fällt die Verpflegung aus.
Zu spanischem Bier („San Miguel“ und „Estrella“) kommen Auberginen und Feigen im Schinkenmantel daher, Weinblätter und Oliven. „Hier sitzen die Eltern, da vorne die Kinder“, sagt Harprecht. Die „Kinder“ gehen auch schon auf die 30 zu. Das ist eine der vielen schönen Seiten des kollektiven Stadtpicknicks. Hier treffen sich alle, Alt und Jung, Pärchen und Familien, Verein und Single. Die Tafelmusik führt sie zusammen.
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Und jeder ist willkommen, wie bei der Gemeinde im Oberdorf. „Alles schon aufgegessen“, schallt es dem Besucher um 20 Uhr fröhlich entgegen. Zucchini-Quiche und Wraps, Dips und Salat, ja, auch die Freikirche kann feiern. Die Kühlboxen sind im großen Kinderwagen verstaut, der kurzerhand umfunktioniert wurde. Erfahrung macht klug, denn man kennt es ja auch anders: Vor dem Schlemmen kommt das Schleppen.
Alle am Gemeindetisch sind von dieser 16. Tafelmusik begeistert. „Es ist total entspannt, einfach perfekt“, sagt Tobias (29). Nebenan sitzt die Standortgemeinschaft Mitte als Mitveranstalter, die sich über eine volle City freut – und sich Lachs- und Thunfisch-Quiche schmecken lässt. Dazu gibt’s einen guten Roten aus Österreich.
In Richtung Stadtgalerie schlendert man an den Tischen des TuS Ruhrtal 1919 vorbei, der ein Fässchen Krombacher angezapft hat, bei den feine Tropfen anbietenden Damen vom Lions-Club, der Klima-Allianz und dem Reha-Aktivsport. Ganze Belegschaften lassen den lieben Gott an diesem Tag einen guten Mann sein. Betriebsfeier bei der Tafelmusik, nicht die schlechteste Idee.
Das Stadtmarketing hat es sich mit ihrer neuen Geschäftsführerin unter einem blauen Pavillon gemütlich gemacht. Die ist von der Veranstaltung durchaus angetan. „Sehr freundlich, sehr bürgernah“, sagt Sandra Gagliardi (55).
Andrea Pfeifer (52), die mit der Stabsstelle für Integration und dem Integrationsrat vor der Stadtgalerie sitzt, erinnert sich noch gut an das letzte Jahr, „da war es heißer und ruhiger, alle waren noch etwas vorsichtiger wegen Corona“. Diesmal sitzen wieder alle eng beieinander, „das tut einfach gut“. Fröhlich wehen einzelne kleine bunte Landesflaggen im Wind.
Im weiteren Verlauf des Abends legen die ein oder anderen sogar ein Tänzchen aufs Pflaster. Manchen ist die Musik aber zu laut, gerade die des Elvis-Imitators zum Finale. Dann doch lieber Ruhr-Piper Björn Frauendienst, der mit seinem Dudelsack keinen Verstärker braucht. Bei „Glück auf, der Steiger kommt“ klatscht der halbe Berliner Platz begeistert mit.