Witten. Der Verkauf der Kirche in Witten-Buchholz schlägt Wellen. Pfarrerin Ute Wendel liefert Erklärungen. Denn bei dieser Schließung bleibt es nicht.
Der Schock beim „Bündnis für Buchholz“ sitzt tief, seitdem der Wittener Verein vom Aus für die Kulturkirche erfahren hat. „Ich kann die Aufregung verstehen und mir tut das auch weh“, sagt Ute Wendel, Herbedes einzige verbliebene Pfarrerin. Sie wirbt ihrerseits um Verständnis für die Entscheidung, „mit der wir uns sehr schwergetan haben“. Doch aus finanziellen Gründen gebe es keine andere Lösung.
Die Buchholzer Kirche ist 2015 entwidmet worden. Seitdem hat das Bündnis das Gebäude mit kulturellem Leben gefüllt. „Und darüber sind wir auch sehr froh“, so die Pfarrerin. Ende des Jahres soll damit aber Schluss sein und das Grundstück mit der Kirche verkauft werden. Das Presbyterium hofft, dass das Gebäude erhalten bleiben kann.
Das Schicksal Entwidmung und Verkauf wird über kurz oder lang übrigens auch die Schöpfungskirche in Durchholz ereilen. „Das ist kein Geheimnis, sorgt hier im Ort aber bisher nicht für Unruhe“, sagt Ute Wendel, die selbst viele Jahre dort unterm Kirchendach nicht nur gearbeitet, sondern auch gewohnt hat. Die Kirche in Vormholz wurde bereits 2007 abgerissen.
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„Je weniger Menschen wir werden, desto schwieriger ist es, Gebäude aufrechtzuerhalten“, erklärt die 59-Jährige. Sie hat dies auch schon in einem Pfarrbrief erläutert. Die gesamte evangelische Gemeinde, zu der Herbede, Buchholz, Durchholz, Kämpen und Vormholz gehören, bestehe aus nur noch 4370 Mitgliedern. Seit Corona würden es stetig weniger. Wendel: „Kaum jemand ist bereit, noch Kirchensteuern zu zahlen.“ Dabei würde man die Gelder ja nicht sinnlos verprassen. „Der Kirchenkreis steckt beispielsweise viel Geld in seine Kindergärten.“.
Für die Gotteshäuser bleibe da häufig nicht mehr viel übrig. Zwischen 1950 und 1980 sei in Deutschland etwa alle zwei Tage ein neues Gemeindehaus eröffnet worden. Die seien inzwischen meist renovierungsbedürftig und energetisch ohnehin nicht auf dem neuesten Stand. „Mit diesem Erbe müssen wir nun umgehen“, sagt die 59-jährige Pfarrerin. Und Spenden für die Bauunterhaltung zu bekommen, sei ungleich schwieriger als für soziale Zwecke.
Superintendentin: Wir können entweder in Gebäude oder in Menschen investieren
„Wir haben lange mit der Entscheidung gewartet. Doch nun stehen wir mit dem Rücken zur Wand“, so Wendel. Die Energiekrise habe die Situation noch einmal verschärft. „Die Finanzplanung hat für 2023 ein Minus von 44.789 Euro errechnet, obwohl wir nur die nötigsten Reparaturen erledigt haben. Dieses Minus wird sich in den Folgejahren steigern.“ Am Verkauf der Kirchen führe deshalb kein Weg vorbei. Dabei gibt sie zu bedenken, dass es heutzutage regelrechter Luxus sei, dass eine Gemeinde überhaupt noch so viele Gebäude besitze.
Superintendentin Julia Holtz hat sich in dieser Woche auf Facebook zum Wirbel rund um den Verkauf der Buchholzer Kirche geäußert. Man stelle es so dar, „als wolle die Kirche aus reiner Lust am Gewinn den Menschen in Buchholz ihr Zuhause nehmen“, ärgert sie sich. Sie würde täglich E-Mails und Briefe bekommen, in denen davon die Rede sei, dass die Menschen in Buchholz „obdachlos“ würden oder man ihnen „ihre Heimat nähme“.
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Doch „wir stehen vor der Alternative, in Gebäude oder Menschen zu investieren“, schreibt die Superintendentin. Um alle Gebäude zu erhalten, müssten drastisch Stellen abgebaut und engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen werden. Holtz: „Ich glaube, es ist im Sinne Jesu, dass wir in Menschen investieren.“
Um die Menschen geht es auch Pfarrerin Ute Wendel. „Ich würde mir wünschen, dass die Gemeinde in Herbede neu zusammenwächst.“ Die Frauen aus Durchholz haben schon vorgemacht, dass es klappen kann: Sie haben sich der Herbeder Frauenhilfsgruppe angeschlossen und treffen sich im Markuszentrum an der Meesmannstraße. Doch solch einen Kompromiss lehnt das Bündnis für Buchholz kategorisch ab.
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Auch Wendel könnte jammern oder frustriert sein. „Aber das ist der falsche Weg.“ Sie will die Hoffnung bewahren und die liege in der Veränderung. „Die Menschen brauchen Kirche heute anders als vor 50 Jahren.“ Sie könne sich beispielsweise vorstellen, Gottesdienste auf der Wiese oder einem Bauernhof zu feiern. Oder in der Kneipe, wie es mancherorts in Witten schon geschieht. Ihre Botschaft: „Wir dürfen nicht den Kopf in den Sand stecken. Es wird weitergehen.“