Witten. Die Wittener Werkstadt ist insolvent. Aber alle hoffen, dass es weitergeht. Was sagen eigentlich die Gäste, die seit Jahren kommen, zur Krise?
Nena singt „Nur geträumt“ und auch bei „Amadeus“ gibt’s kein Halten mehr. 80er-Party in der Wittener Werkstadt, auf der Tanzfläche der Area I – dem „Mainfloor“ – ist ganz schön was los. Halb eins Samstagnacht, die richtige Zeit, um noch mal Gas zu geben. Die Stimmung ist gut, die Musik erfüllt die Erwartungen und auch die Deko ist ganz die alte: Silberne Discokugel, bunte Spots, dazu verschwitzte Leiber und die bekannte stickige Luft. Ist das nun Nostalgie pur oder alles nicht mehr zeitgemäß? Wir haben uns anlässlich der überraschenden Insolvenz des sozio-kulturellen Zentrums einmal unters Partyvolk in den alten Mannesmannhallen gemischt.
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Erst mal ein großer Schluck aus der kleinen kalten Bierflasche. Es ist wieder heiß in dieser Nacht. Ab nach draußen zu den Rauchern, die keineswegs unter sich sind. An einem der runden Bistrotische treffen wir vier nicht qualmende Endvierzigerinnen und Mittfünfziger. Die Werkstadt pleite? „Es wäre schade, wenn sie den Bach runtergeht. Man trifft hier immer jemanden“, sagt Steffi (48), die sich als „Zugereiste“ aus Mülheim vorstellt und der Liebe wegen nach Witten fand. „Das Klientel hier ist sehr angenehm“, sagt sie.
Ob Mann oder Frau, heute würde man noch „divers“ hinzufügen, dick oder dünn, gestylt oder eher unspektakuläres Outfit – in der Werkstadt kann sich jeder wohl in seiner Haut fühlen. Klar guckt man, wer so da ist, es wird auch geflirtet. Aber dumme Anmache brauchen hier gerade Frauen nicht zu befürchten.
Alle, ob Besucher oder Mitarbeiter, sind zuversichtlich, dass es trotz der Insolvenz irgendwie weitergeht. „In Witten gibt’s doch nichts anderes“, sagt Peter, heute 52, der hier schon mit 16 seine ersten Disco-Erfahrungen sammelte. Die Werkstadt, sagt er, „war immer ein Treffpunkt, mit einmal Party im Monat, eine Institution“. Heute wohne er in der Bochumer City und „trifft keinen mehr“.
Werkstadt mit 80er-Party
Aber wenn man fragt, ob das hier alles noch zeitgemäß sei, erntet man auch viel Kopfschütteln. „Es sieht noch genauso wie vor 30, 40 Jahren aus“, sagt Peter, von Beruf Banker, „da vorne steht sogar noch der alte schwarze Holztisch.“ Aber in der „Alten Post“ habe sich doch ebenfalls nichts verändert und die läuft doch auch, wirft Leif (52) ein. Wie die meisten hier bricht er eine Lanze für den Kulturbetrieb: „Die Werkstadt lebt ja nicht nur vom Feiern. Sie macht auch viel für die Jugend.“ Und: „Kultur ist immer ein Zuschussobjekt.“
„Ein queeres Sommerfestival hätte es damals nicht gegeben“
Wobei die 80er-Partys ja noch ganz gut laufen und Geld in die Kasse spülen. Aber „strukturelle Förderung ist eben immer schwer“, sagt Daniela, eine der Festangestellten, die schon seit 23 Jahren dabei ist und heute wieder am Tresen steht. Auch ihr geht die Insolvenz ganz schön nahe, nicht nur, weil ihr Job auf dem Spiel stehen könnte. „Als wir gestern ein Konzert nebenan im Treff hatten, musste ich schon mal schlucken. Hoffentlich geht’s weiter.“ Dass man seit Donnerstag einen Insolvenzverwalter hat, stimmt sie zuversichtlich.
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Dass die Werkstadt nicht mehr zeitgemäß sei, möchte die 46-Jährige aber nicht so stehen lassen. „Als ich angefangen habe, hätte es noch kein queeres Sommerfestival gegeben“, sagt sie, ebenso wenig Konzertevents wie „Metal for Mercy“, Veranstaltungen, die auf Fördergelder angewiesen sind. „Veltins oder Astra?“, fragt sie zwischendurch einen jungen Mann, der ein Bier bestellt.
Gegenüber, in der Area II, legt gerade DJ Alex auf, „Gothic“ aus den 80ern und 90ern. Wie Daniela glaubt auch er an eine Zukunft der Werkstadt. „Ich hoffe es.“ Er veranstalte hier schließlich „zwei Festivals im Jahr mit 700 Leuten“.
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Zurück geht’s in die Area I, wo DJ Alex Botox die alten Gassenhauer aus den Achtzigern ausgepackt hat. Man sieht sogar ein, zwei Väter, die mit ihren Töchtern gekommen sind, so wie Olaf (56) und Marlene (21). Sie mag die Musik jener Zeit, er dazu den Nostalgiefaktor. Ein Witten ohne die Werkstadt können sich beide nicht vorstellen. „Das wäre sehr traurig“, sagt Marlene.
Der DJ spielt „Take on me“, viele singen mit, Arme werden in die Luft gereckt. Party-Time! In der Werkstadt gehen die Lichter an diesem Abend noch lange nicht aus.