Witten. Toleranz gegenüber homo-, bi- und transsexuellen Menschen ist nicht selbstverständlich. Das will eine Gruppe Wittener ändern. Was sie alles tun.
Zum Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, und Trans-Feindlichkeit am 17. Mai wollen engagierte Wittenerinnen und Wittener zu mehr Toleranz und Akzeptanz aufrufen. Die Gruppe rund um Pfarrerin Mareike Gintzel, Werkstadt-Mitarbeiter Keno Richel und Robert Beckmann vom SPD-Ortsverband Rüdinghausen/Schnee setzt sich schon seit Jahren für mehr Gleichberechtigung ein.
„Weltweit herrschen immer noch Gewalt und enormer Hass gegen queere Menschen“, sagt Beckmann. Diese identifizieren sich nicht mit traditionellen Geschlechtsidentitäten und Sexualitäten. Um diesen Menschen in Witten einen Platz zu geben, wurde vor mehr als zwei Jahren die Queer*Stadt gegründet. Dabei handelt es um einen Stammtisch, der jeden ersten Donnerstag im Monat ab 18 Uhr in der Werkstadt stattfindet.
Wittener Pfarrerin hat den queeren Stammtisch mitgegründet
„Wir plaudern, spielen, planen und machen einfach das, wonach uns gerade ist“, so Gintzel. Die Pfarrerin der Johannisgemeinde an der Bonhoefferstraße war Mit-Initiatorin bei der Gründung des Stammtischs. „Ich habe vorher in Städten gelebt, da gab es schon größere queere Szenen. In Witten war das ganz anders. Es gab keinen geschützten Ort für betroffene Menschen“, sagt Mareike Gintzel. Das änderte sich durch den Stammtisch. Die Abende seien „irgendetwas zwischen gesellig, albern und ernst, zwischen Outing-Geschichten, Lebensgeschichten und Gesellschaftsspielen“.
Im Jugendcafé Treff gibt es außerdem den Queer*Treff für junge Menschen zwischen 13 und 27 Jahren, der jeden ersten und dritten Freitag im Monat ab 16 Uhr stattfindet. Was in diesem Jahr sonst noch ansteht, das plant das Organisations-Team gerade. Fest steht, dass es am 18. Juni eine Radtour durch die Innenstadt mit Regenbogenfahnen geben wird, dem Symbol der queeren Bewegung.
Fem-Festival in der Werkstadt
Anfang Juli findet auf dem Treff-Gelände neben der Werkstadt das „Fem-Festival“ statt, ein Sommerfest, das Identitäten mit besonderem Schwerpunkt auf Feminismus feiert. Beim Open-Air-Fahrradkino der Werkstadt, das für Ende Juli geplant ist, wird in diesem Jahr wieder ein Film zum Thema gezeigt. Für Oktober ist Wittens zweiter ökumenischer Queer-Gottesdienst geplant.
Die Mitglieder des Queer*Stadt-Teams würden gerne noch viel mehr auf die Beine stellen. Mehr Kinoabende und Workshops, außerdem Lesungen und Poetry Slams. Die Nachfrage ist groß. „Wir haben sogar Leute, die aus Hagen, Wetter und Schwelm nach Witten kommen. Vor allem für Erwachsene, die das Netzwerk der Uni nicht mehr haben, ist der queere Stammtisch super, um neue Freundschaften zu schließen“, sagt Mareike Gintzel.
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Wer denkt, dass Akzeptanz und Toleranz bereits in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind, der irrt, sagen die Wittener Aktivisten. Homosexuelle, Bisexuelle und Transgender können in Deutschland mittlerweile zwar offener leben, als noch vor einigen Jahren, trotzdem würden viele regelmäßig Ungleichbehandlungen erleben.
Das bedeutet „queer“
Das Wort „queer“ kommt aus dem Englischen und war lange negativ besetzt, weil es so viel bedeutet wie „eigenartig, fragwürdig, suspekt“. Mittlerweile wird der Begriff aber im positiven Sinne verwendet. Er steht als Sammelbegriff für Homo- und Bisexuelle sowie für trans- und intergeschlechtliche Menschen.
Am 17. Mai geht es auch um die Gleichberechtigung von asexuellen und intergeschlechtlichen Menschen. Als intergeschlechtlich bezeichnet sich ein Mensch, dessen Körper Ähnlichkeit sowohl mit dem weiblichen, als auch dem männlichen Geschlecht aufweist.
„Die Diskriminierung findet nicht nur durch menschenverachtende Paragrafen statt, sondern auch im Alltag. Beispielsweise wenn eine Person eine Wohnung oder einen Job aufgrund der sexuellen oder geschlechtlichen Orientierung nicht bekommt“, sagt Robert Beckmann. Auch in Form von Gewalt zeige sich der Hass. Erst letztes Jahr wurde ein Transmann auf dem Christopher-Street-Day (CSD) in Münster niedergeschlagen und tödlich verletzt.
Mareike Gintzel würde sich wünschen, dass es in einigen Jahren gar nicht mehr nötig ist, für Gleichberechtigung auf die Straße zu gehen – weil es endlich selbstverständlich ist. „Ich weiß aber, dass das Wunschdenken ist“, sagt sie. Das Queer*stadt-Team gibt noch lange nicht auf: Bis Veranstaltungen wie ein CSD keinen Polizeischutz mehr benötigen, kämpfen sie weiter für die Rechte von queeren Menschen.