Witten. Immer wieder werden Anwohner in Witten durch nächtliche Geldautomatensprengungen aus dem Schlaf gerissen. Die Redaktion suchte Betroffene auf.
Es war auch ein Freitagmorgen, nur wärmer, und der abgesperrte Bürgersteig vor der Volksbank Bochum Witten in Stockum war mit Scherben übersät. Stunden zuvor war in der dortigen Selbstbedienungsfiliale der Geldautomat gesprengt worden. Wie immer im Schutz der Dunkelheit, und wie so oft wurden Anwohner aus dem Schlaf gerissen. „Den Knall vergesse ich nie“, sagt Annegret Ley, die direkt über der Bank wohnt und bei der wir an diesem Freitag schellen, ein halbes Jahr später im April. Wir wollen wissen, wie sich Anwohner fühlen, die quasi auf einem Pulverfass leben.
Die SB-Filiale in Stockum ist immer noch mit Brettern vernagelt, Geld bekommt man dort schon seit sechs Monaten nicht mehr. Ein Aushang informiert die Kunden und erinnert an die Tat am 23. September letzten Jahres: „Aufgrund einer Automatensprengung ist dieser SB-Bereich geschlossen.“
Möge er es für immer bleiben, dürften die Anwohner in dem schmucken Wohnhaus denken. Menschen wie Annegret Ley. „So etwas vergisst man nicht. Den Knall hab ich immer noch im Ohr“, sagt die 71-Jährige. „Als Nächstes ist wahrscheinlich die Sparkasse dran“, sagt sie noch. Gott bewahre.
Täter benutzen in Witten-Stockum TNT
Es war eine verheerende Explosion damals in Stockum. Die Täter, die wie immer nach einer Automatensprengung in einer PS-starken Limousine davonbrausten, hatten nicht Gas benutzt, sondern TNT. Der Sprengstoff verwüstete die gesamte Automatenfiliale. Zum Glück kamen keine Menschen zu schaden. Wie bei keinem der acht Fälle, die in den letzten sieben Jahren in Witten gezählt wurden – der letzte in jener Septembernacht in Stockum.
Natürlich ist Annegret Ley seinerzeit nicht ausgezogen. Es wäre jetzt auch nicht zutreffend, zu schreiben, dass alle Anwohner in Angst leben, die über einer Bankfiliale mit Geldautomat wohnen. „Ich bin nicht so ängstlich“, sagt die Mieterin, die wir hoch oben in dem Gebäude über der Deutschen Bank an der Wideystraße in der Innenstadt aufsuchen.
Mieterin über der Deutschen Bank: „Ich dachte, ein Lkw sei gegen das Haus gefahren“
Sie kann sich aber noch gut daran erinnern, wie sie von dem Knall wach geworden ist, damals, am 7. März 2020, einem Samstag, als der Automat unten im Erdgeschoss gesprengt wurde. „Ich dachte erst, ein Lkw sei gegen das Haus gefahren.“ Wie so oft ist auch in diesem Fall nicht bekannt, ob jemals ein Täter ermittelt wurde. Eher wohl nicht. Auch bei der Volksbank: Fehlanzeige.
Anders als bisher in Stockum wurde in der Deutschen Bank an der Wideystraße, aber längst für Ersatz gesorgt. Im Foyer der mit Mitarbeitern besetzten Filiale gibt es wieder zwei Geldautomaten. Doch wie bei allen Kreditinstituten in Witten bleiben die Türen zu den Geldautomaten inzwischen nachts verschlossen. Was schon für eine gewisse Ruhe gesorgt habe, wie Viktoria (16) bestätigt, die mit ihrer Familie direkt über der mit Geldautomaten ausgestatteten Sparkassenfiliale in Bommern lebt.
„Ein bissen Angst“ sei schon mit dabei gewesen, als sie hier eingezogen sind, sagt die Schülerin, die von einem Zimmer aus direkt auf die Bank am Bodenborn sehen kann. Oder anders ausgedrückt: Der Gedanke an eine mögliche Automatensprengung ist durchaus präsent. „Die Wohnung liegt aber sehr zentral und wir hatten auch nichts anderes gefunden“, sagt die Jugendliche.
Mehr Ruhe, seitdem Filiale nachts dicht ist
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Seitdem die Sparkasse nun nachts zwischen 22 Uhr und 5 Uhr morgens die Türen zum Geldautomaten verriegelt, sei es aber deutlich ruhiger geworden, sagt Viktoria. „Man kann jetzt besser einschlafen.“ Noch lieber wäre es ihr allerdings, wenn abends noch ein Gitter runtergelassen würde. „Die Glastür kann man ja schnell kaputt machen.“ Oder, wie es ein Bankexperte formuliert: Wer einen Automaten in die Luft jagt, lässt sich vermutlich auch von einer verschlossenen Tür nicht unbedingt aufhalten.
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Ein Haus weiter – nicht direkt über der Sparkasse, sondern daneben – wohnen die Czarneckis, und das schon seit 40 Jahren. Nein, Angst haben sie nicht. Es sei ja auch noch nie was passiert. Heinz Czarnecki (79) glaubt den Grund dafür zu kennen, warum Automaten-Sprenger die Filiale am Bodenborn bisher verschont haben. „Wir wohnen viel zu weit von der Autobahn weg. Bis die Täter dort sind, in Herbede oder Haßlinghausen, hat die Polizei schon alle Auffahrten dichtgemacht.“
In Stockum liegt die Autobahn als attraktiver Fluchtweg gleich um die Ecke. Volksbank-Anwohnerin Annegret Ley hofft, dass hier nie wieder ein Geldautomat hinkommt. So einen Knall, so einen Schrecken wie am 23. September 2022 – „das muss ich nicht mehr haben“.
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