Witten. Wer das Industriemuseum in Witten besucht, kommt am Kaffee-Gärtchen kaum vorbei. Dort gibt’s einen Bahnwaggon, hausgemachte Currysoße und mehr.
Noch vor 15 Jahren konnten Besucher auf Zeche Nachtigall vor oder nach dem Rundgang weder etwas trinken, noch ein Stück Kuchen essen. Inzwischen werden längst Großveranstaltungen gastronomisch versorgt. Denn Jürgen Philipp (74) und seine Frau Rita (70) betreiben nicht nur das Kaffee-Gärtchen gleich am Eingang. Das Wittener Ehepaar organisiert auch Hochzeiten, Geburtstage und Firmenfeiern auf dem Gelände.
„Wir haben das exklusive Gastronomierecht für das gesamte Museum“, sagt Jürgen Philipp. Ob Edelstahlwerke, Ardex oder die Ruhrkohle AG – sie alle haben schon auf der Zeche Nachtigall getafelt. Gern unterm Dach des Ringofens. Der Steinbruch werde dann mit Licht in Szene gesetzt.
Gäste in Witten: Industriegewerkschaft und Ensemble der Ruhrfestspiele
Eine besonders große Herausforderung sei der Jahrestag der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie mit rund 300 Gästen gewesen. „Eine Riesen-Nummer“, erinnert sich Philipp. Auch Schauspielerin Katharina Thalbach habe mit dem Ensemble der Ruhrfestspiele schon eine Woche auf Nachtigall verbracht. Solche Ereignisse stemmt das Ehepaar Philipp natürlich nicht allein, sondern in Kooperation mit Eventlogistikern sowie externen Köchen und zusätzlichem Personal.
Das Tagesgeschäft jedoch, das läuft im Kaffee-Gärtchen. Bestellen können die Gäste am Tresen einer kleinen Hütte. Currywurst und Pommes, Flammkuchen und Eintöpfe werden im Zelt davor verzehrt – oder im edel gestylten Bahnwaggon nebenan. Dort allerdings nur während des Winterbetriebs, denn die Klimatisierung funktioniere nicht, bedauert Philipp. Der historische Speisewagen wurde Ende der 1970er Jahre gebaut und ist eine Spende der NRW-Bank an das Museum.
Alles begann mit einem kleinen Zelt auf dem Wittener Zechengelände
Angefangen hat alles jedoch mit einem kleinen Pagodenzelt, ein paar Bierzeltgarnituren und einer einfachen Kaffeemaschine. Rolf Nehm von der gleichnamigen Fleischerei in Witten hatte die kleine Gastronomie damals aufgebaut. Jürgen Philipp kam erst vor zehn Jahren dazu. Er hatte Nehm bei den Verträgen mit dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), zu dem das Industriedenkmal gehört, beraten und nach seiner Pensionierung eine neue Betätigung gesucht.
Kaffeetrinken in historischem Ambiente
Das Kaffee-Gärtchen direkt links am Eingang der Zeche Nachtigall (Nachtigallstraße 35) ist dienstags bis sonntags sowie an Feiertagen von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Auch am Ostermontag bekommen Besucher hier also Kaffee, Kuchen und mehr, zum Beispiel Currywurst (vier Euro) mit Pommes (drei Euro). Das Industriemuseum öffnet bereits ab 10 Uhr, letzter Einlass ist um 17.30 Uhr.
30 Gäste passen in den historischen Speisewagen, der auch für Feiern gebucht werden kann. Draußen gibt es insgesamt 110 Plätze. Das Ehepaar Philipp betreibt die Gastronomie mit einem Pool von sechs bis acht Mitarbeitern. Weitere Infos: 0173 5460476.
„Ich wollte nicht nur zu Hause im Garten arbeiten“, sagt der studierte Sozialwissenschaftler und ehemalige Leiter des Zentralinstituts für audiovisuelle Medien und Multimedia an der Uni Wuppertal. Veranstaltungen zu planen – das war Philipp vertraut. Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki und Hörfunk-Journalist Klaus-Jürgen Haller gehörten einst zu den Gästen seiner Uni-Reihe. „Außerdem haben meine Frau und ich selbst immer gerne gut gegessen und getrunken.“
Wittener Paar legt Wert auf gute Küche
Deshalb legen die beiden auch großen Wert auf eine gute Küche selbst im kleinen Kaffee-Gärtchen. Rita Philipp kümmert sich um die Zubereitung der Speisen. „Sie ist eine gute Köchin und Bäckerin“, bescheinigt ihr der Gatte. Die Currysoße: hausgemacht. Die Wurst: stammte früher aus der Nehmschen Metzgerei und heute von einem Kollegen aus Herdecke. „In der Corona-Zeit standen die Leute Schlange, um eine Bratwurst für unterwegs mitnehmen zu können“, sagt Jürgen Philipp. Die Kräuter für die Rosmarinkartoffeln oder die Maibowle, die es bald wieder geben wird, kommen aus dem eigenen Garten.
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Auch bei den Getränken legt das Paar Wert auf Qualität. Ordert Bier aus der Bochumer Fiege-Brauerei und bezieht Wein – das Glas kostet im Gärtchen 6,50 Euro – direkt von Winzern aus Deutschland und Österreich. Die Gäste wissen das offenbar zu schätzen. So habe eine Gruppe von Schweizern sich sogar mal per Post für die Bewirtung bedankt. Und auch der Deutschen Lebergesellschaft habe die Weinprobe auf Nachtigall gut gefallen, schmunzelt Jürgen Philipp. Das alles sei nicht immer preiswert. „Aber so können wir wenigstens dahinterstehen.“
„Alles schöne Anlässe“
Der spätberufene „Gastronom“ gibt zu, die Arbeit anfangs etwas unterschätzt zu haben. „Aber es macht Spaß, die Veranstaltungen zu planen. Das sind ja alles schöne Anlässe.“ Was aus dem Kaffee-Gärtchen und dem alten Waggon wird, wenn 2027 zur Internationalen Gartenbauausstellung (IGA) tatsächlich die geplante große Erweiterung mit Besucherzentrum kommt, das stehe in den Sternen. Doch bis dahin wollen die Philipps auf jeden Fall weitermachen.