Witten. Witten stellt sich auf den großen Verdi-Streik am Montag ein. Dann stehen neben Bussen und Straßenbahnen auch Züge still. Das sagen Betroffene.
Der öffentliche Personennahverkehr ist in den letzten Wochen bereits viermal in Witten bestreikt worden, meist dienstags. Insofern sind die Bürger einiges gewohnt. Diesmal stehen nicht nur Bus und Straßenbahn still, sondern auch die Züge im Regional- und Fernverkehr. Der große Verdi-Streik trifft am Montag wieder all jene ganz besonders, die kein Auto haben.
Wittener Schülerinnen wieder aufs Elterntaxi angewiesen
Zwei Schülerinnen vom Albert-Martmöller-Gymnasium, Jule (17) und Diana (18), sind erneut aufs Elterntaxi angewiesen. Diesmal haben sie Mottowochen mit entsprechend viel Freizeit. „Das ist etwas nervig, weil wir dann stundenlang in der Schule bleiben müssen.“ Nach Hause fahren geht ja nicht. Bahnfahrerin Anna Lesing (48), Lehrerin an der Bruchschule, kann zumindest aufs Auto umsteigen.
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Schon am Freitag ist im Hauptbahnhof zu spüren, dass irgendetwas anders ist. Genau, es ist deutlich voller als sonst an einem späten Vormittag. Gut, die Ersten fahren schon ins Wochenende. Oder kehren nach Hause zurück. Jedenfalls ist allen daran gelegen, vor Montag wegzukommen. Ja nicht irgendwo stranden.
Das trifft auch auf eine Gruppe junger Männer zu, die selbst am Montag streiken werden. Sie kommen aus Bayern, arbeiten bei der Deutschen Bahn in der Instandsetzung und waren gerade zu einer Fortbildung im Wittener Weichenwerk. Nun geht’s mit dem Zug zurück, extra an diesem Freitag.
„Viel Verantwortung, wenig Geld“
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Dass sie pro Streik argumentieren, liegt auf der Hand. „Wir haben viel Verantwortung, verdienen aber zu wenig“, sagen die Bahn-Instandsetzer. 2400 Euro brutto nach zwei Jahren im Beruf ohne Zulagen, nennt einer eine Hausnummer. Stefan (31), Elektroniker für Leit- und Sicherungstechnik, glaubt an eine Einigung bei der dritten Tarifrunde, die am Montag beginnt. Denn der Druck werde immer größer. „Das wird schlimmer als der Lokführerstreik“, warnt er.
Und was sagen die anderen Reisenden? Hannah (21), Psychologiestudentin im ersten Semester, macht sich mit ihrem blauen Rucksack gerade auf den Weg per Zug nach Husum, zu einem Vorstandstreffen der Waldorf-Schülerverwaltung. „Ich verstehe, dass die Leute mehr Geld wollen. Aber gleichzeitig stimmt so vieles nicht bei der Bahn“, sagt sie. Um nicht in den Streik zu geraten, fährt sie schon einen Tag früher zurück.
Wittener Rentner schimpfen über den erneuten Warnstreik
Nebenan, am Busbahnhof, schimpfen Rentner über den erneuten Ausstand. „Unverschämt“, sagt Magdalene Amann (82). „Den Arzttermin am Montag muss ich dann wohl absagen.“ Eine Taxe von Annen in die Stadt könne sie sich nicht leisten. „Wie denn, bei 600 Euro Rente? Die sollen sich endlich einigen!“ fordert sie die Tarifparteien auf. „Wer soll mich denn dann fahren?“ fragt die 88-jährige Edith Löwenhagen. „Ich lebe allein und muss zum Physiotherapeuten.“ Die Behandlung sei für sie nach einem Muskelfaserriss sehr wichtig.
Busfahrerin: Mindestens 300 Euro mehr im Monat
Ganz andere Töne kommen von einer Busfahrerin, die gerade mit dem 320er Richtung Annen starten will. „Ich hoffe, dass es mindestens 300 Euro mehr im Monat werden“, sagt sie. „Mit einem krummen Kompromiss dürfen gerade wir unteren Lohngruppen nicht abgespeist werden.“ Mit einer Einigung rechne sie am Montag aber nicht. „Dann kommt die Urabstimmung.“
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Der Unmut der Beschäftigten sei enorm und die Streikbereitschaft ebenfalls, erklärt die stellvertretende Geschäftsführerin von Verdi Südwestfalen, Bettina Schwerdt. Sie bittet die Fahrgäste um Verständnis und fordert die Arbeitgeber auf, „endlich ein verhandlungsfähiges Angebot machen“.