Witten. Hagen oder Essen bangen mit der angekündigten Galeria-Schließung um ihre Innenstädte. Witten hat dies vor knapp drei Jahren erlebt. Eine Bilanz.
Am 19. Juni 2020 wurde bekannt, dass Witten auf der Streichliste von Galeria Karstadt Kaufhof steht. Anfangs glauben Stadt und Betriebsrat noch, das als profitabel geltende Warenhaus retten zu können. Doch wenige Monate später begann der Ausverkauf und Wittens Einkaufsmagnet blieb für immer dicht. Die Ereignisse gleichen dem, was sich jetzt in Essen, Hagen oder Dortmund abspielt. Überall ist auch die Angst groß, dass die Qualität der Fußgängerzonen weiter abrutscht. War das in Witten der Fall?
„Handel ist immer im Wandel“, lautet ein altes Händlersprichwort. Und tatsächlich hat sich viel getan, seit am 16. Oktober 2020 Filialleiter Oliver Klein den Kaufhof für immer abschloss. Der einstige Chef ist weiterhin im Konzern beschäftigt und aktuell in die Verhandlungen mit dem Betriebsrat eingebunden. Was aus den einstigen Wittener Kollegen und Kolleginnen geworden ist, wisse er nicht.
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Verdi-Gewerkschaftssekretärin Monika Grothe kann sich noch an die 40 Beschäftigten erinnern, die man zuletzt nur noch spärlich verteilt auf den Verkaufsflächen an der oberen Bahnhofstraße erspähen konnte. „Ein Teil war schon älter und konnte fast nahtlos in Rente gehen“, weiß sie. Andere hätten schnell eine Alternative gefunden. „Aber es gibt auch noch Mitarbeitende, die immer noch auf der Suche sind.“ Ohne Lohneinbußen in Kauf zu nehmen, habe kaum jemand einen neuen Job finden können. Grothe: „Denn bis zum Schluss waren die Löhne bei Kaufhof noch tarifgebunden.“
Eigentümer findet Entwurf zu teuer
Als das 1968 als Horten eröffnete Kaufhaus schloss, waren die goldenen Zeiten längst vorbei: Die Sportabteilung im Obergeschoss stand leer, es gab keine Modenschauen mehr und keine Feinkostabteilung im Souterrain. Oktober 2020, das war im Rückblick gefühlt der Anfang der Corona-Pandemie. Die wirklich schweren Zeiten für den Handel folgten noch: Lockdowns, abgesagte verkaufsoffene Sonntage, ausgefallener Weihnachtsmarkt. Die leeren Kaufhof-Schaufenster wurden ein Jahr lang von der Künstlerin Britta Lennardt mit der „Galerie der Produkte“ bespielt. Immerhin gab es dort regelmäßig etwas Neues zu sehen.
Ob die interessant dekorierten Fenster wirklich mehr Besucher in die City brachten, wurde nie gezählt. Aber seit dem Ende der Ausstellungen sieht der Gebäudekomplex verlassener aus denn je. Ein neues Schaufensterprojekt sollte folgen, kam aber nicht. Eine mit Fördergeldern finanzierte Machbarkeitsstudie legte eine hübsche Vision aufs Reißbrett, die dem Eigentümer des viergeschossigen Gebäudes Josef Saller viel zu teuer ist. Ob es den aufgebrochenen Komplex mit Passage zur Heilenstraße je geben wird? Uni und Stadtarchiv hatten sich als Mieter interessiert gezeigt. Aktuell herrscht Stillstand, die Saller-Gruppe hat auf unsere jüngste Anfrage noch nicht reagiert.
Händlerin: „Schließung birgt auch Chancen“
Vor allem Lebensmittelhandel investiert
In den letzten drei Jahren wurde in Witten eher in den Lebensmittelhandel investiert: Netto an der Ruhrstraße machte sich schick, ebenso Alnatura und einige orientalische Geschäfte eröffneten an der unteren Bahnhofstraße. Zwar gab es den Weggang von Real in Annen, doch Rewe Kesper und Aldi an der Dortmunder Straße vergrößerten sich.
Die einzigen Filialisten, die sich in Witten neu niederließen sind Woolworth (neue Filiale in der Stadtgalerie seit September 2022) und Action (Filialen in Herbede und Annen 2020).
Und die City? „Wir fühlen mit all den Städten, die jetzt von einer Warenhaus-Schließung betroffen sind“, sagt Angelika Bilow-Hafer aus dem Vorstand der Standortgemeinschaft. „Wir waren genauso geschockt. Und müssen jetzt sagen: Die Schließung birgt auch Chancen.“ Ihrer Meinung nach habe sich Witten auf einen guten Weg gemacht. Einer Reihe von Schließungen – etwa des Wäschegeschäfts Kleinschmidt oder des Naturschuhladens „Fortschritt“ auf der Ruhrstraße, selbst der McDonalds-Filiale – stünden etliche Neueröffnungen gegenüber. „Wenn man genau hinguckt, hat sich viel getan.“
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Allein in diesem Jahr habe die Standortgemeinschaft schon sechs neue Geschäfte begrüßt. Alle seien klein, persönlich, individuell, etwa das Café Krümelreich, der Regionalladen „Grüne Perle“ oder „unsere Fashion-Königsallee“ mit mehreren Boutiquen auf der Ruhrstraße. Im Johannisviertel sieht Bilow-Hafer mit dem Trockenblumengeschäft, dem Wollladen oder dem Dekogeschäft „Fräulein Mayer“ ein neues Kreativquartier wachsen. „Jede Stadt hat sich durch die Corona-Pandemie verändert“, so die Geschäftsführerin der „Genussgalerie“ und der „Zwergenzeit“ am Berliner Platz. „Und überall wird klar: Wir können nicht mit Filialisten in die Zukunft gehen.“