Witten. Eine Start-Up-Firma aus Witten will den Obstanbau revolutionieren. vGreens baut 365 Tage lang Erdbeeren an – auf gerade mal 45 Quadratmetern.
Wir alle besuchen im Frühjahr und Sommer gerne den Erdbeerbauern von nebenan, der die süßen Früchte in seiner kleinen Holzhütte verkauft. Wird das Wetter aber wieder schlechter, ist der Anbau auf den Feldern nicht mehr möglich, spätestens Anfang August ist Feierabend. Das Start-Up-Unternehmen „vGreens“ aus Witten will dem entgegentreten. Die Gründer bauen das Obst ganzjährig an und versprechen: „Bei uns schmecken die Erdbeeren alle gleich gut.“
Doch von vorne: Im Jahr 2021 brachten Maximilian Hartmann (30) und sein bester Freund Claas Ahrens (29) die Idee auf den Weg. „Das Thema Vertical Farming hat uns schon immer interessiert“, sagt Hartmann. Aber was ist das eigentlich? Die beiden haben kein eigenes Feld im Freien angemietet, sondern züchten die Erdbeeren in einer Produktionsanlage im Gewerbegebiet in Herbede auf gerade einmal 45 Quadratmetern. Dort hat Axel Binner, Geschäftsführer der Hydropa GmbH, im Därmannsbusch Räume zur Verfügung gestellt.
„vGreens“ aus Witten setzt auf Nachhaltigkeit
Bei Vertical Farming werden landwirtschaftliche Produkte auf mehreren übereinanderliegenden Ebenen, ähnlich wie Regale, angebaut. 10.000 Kilogramm pro Jahr kann die derzeitige Anlage ungefähr produzieren. „Im Freiland bräuchte man dafür mehrere tausend Quadratmeter Fläche“, sagt Hartmann. Den Gründern, denen sich mittlerweile auch Stefan Hey (37) und Caspar Krampe (36) angeschlossen haben, geht es dabei vor allem um Nachhaltigkeit.
„Die Erdbeerfelder in der Landwirtschaft zerstören das Ökosystem und nehmen zum Beispiel Insekten ihren Lebensraum“, sagt Hartmann. „vGreens“ hingegen verzichte auf Pestizide und habe ein nachhaltiges Anbausystem erschaffen. Statt in Erde gedeihen die 2000 Pflanzen in einer speziellen Nährstofflösung – gespeist aus Regenwasser. „So sparen wir kostbares Trinkwasser und das Regenwasser wird immer wieder aufbereitet“, erklärt der 30-Jährige.
In der Produktionsanlage, die ohne Fenster auskommt, haben die Früchte dabei beste Bedingungen, um nach vier Wochen erntereif zu sein. „Unsere Software achtet darauf, dass zum Beispiel Temperatur und Luftfeuchtigkeit immer gleich sind. Es ist quasi ein 5-Sterne-Hotel für Erdbeeren“, lacht Hartmann. Auf den freien Feldern hat das sensible Obst hingegen immer wieder mit unterschiedlichen Witterungen zu kämpfen, was sich auch auf die Qualität auswirke.
250 Gramm kosten sechs Euro
„Bei Erdbeeren vom Feld ist die eine zu wässrig, die andere wieder matschig und vielleicht nur eine wirklich perfekt“, sagt Hartmann. „Wir garantieren hingegen, dass jede Erdbeere gleich gut schmeckt.“ Das hat jedoch seinen Preis. Derzeit wird die süße Frucht im „Frischeparadies“ in Essen verkauft. Für die 250-Gramm-Schale muss man knapp sechs Euro berappen.
Aber gibt es im Winter überhaupt Abnehmer dafür? „Das Interesse ist tatsächlich groß“, sagt der Gründer. Dabei sei es allemal besser, auf ein regionales Produkt zu setzen als auf gespritzte Früchte aus dem Ausland. Genau das ist das Ziel von „vGreens“: „Wir wollen auf Dauer die Importprodukte aus dem Regal verdrängen.“
Dafür ist man derzeit in Gesprächen mit möglichen Händlern und Investoren. „Es sieht gut aus, dass wir bald Profit erzielen können.“ Bislang stecke alles noch in den Kinderschuhen, auch wenn bereits erste Erdbeeren, wie in Essen, über die Ladentheke gehen. Gewinne sind vor allem für die Gründer wichtig, da sie bisher alles selbst finanziert haben. „Für so einen Traum macht man das aber gerne“, sagt der promovierte Betriebswirtschaftler.
Roboter soll bei Ernte helfen
Und wo sieht sich das Start-Up in der Zukunft? „Wir wollen noch in diesem Jahr eine neue Anlage im Ruhrgebiet eröffnen“, sagt Hartmann. Dort sollen pro Jahr dann 80.000 Kilogramm Erdbeeren geerntet werden. Um das zu erreichen, hat man sich bereits breiter aufgestellt und mittlerweile elf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter engagiert. „Uns geht es auch darum, möglichst wenig Personal einzusetzen.“ Deshalb hilft bei der Ernte der Etagen-Beete bald ein Roboter.
Zukünftig soll das „5-Sterne-Hotel“ übrigens nicht mehr nur Erdbeeren beherbergen. „Wir wollen bald Melonen und Blaubeeren anbauen“, sagt Hartmann. Auch diese Gäste können sich auf die besten Bedingungen freuen.