Witten. Ein Drogenhändler in Uniform? Das Amtsgericht Witten hat einen Polizeibeamten verurteilt. In dem Prozess ging es nicht nur um Betäubungsmittel.
Wegen Besitzes und Handelns mit Drogen musste sich nun ein eher ungewöhnlicher Angeklagter vor dem Amtsgericht in Wittenverantworten – ein 41-jähriger Polizist aus Witten, der zuletzt bei der Hundertschaft des Polizeipräsidiums Bochum arbeitete. Auch an andere Polizisten soll er Marihuana verkauft haben. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann zudem vor, mit verschreibungspflichtigen Medikamenten gehandelt zu haben. In der Wohnung des Angeklagten waren über 200 Potenz-Pillen der unterschiedlichsten Hersteller gefunden worden.
Über die Ermittlungen in einem anderen Drogenfall waren Polizeibeamte auf den eigenen Kollegen gestoßen. Denn der überwachte Drogendealer, der mittlerweile bereits zu drei Jahren verurteilt wurde, war fast täglich Gast in der Wohnung des Angeklagten – an einem Tag sogar dreimal. Das sei doch eher ungewöhnlich – selbst wenn es der beste Freund sei, sagte dazu der Polizeibeamte, der die Ermittlungen im ursprünglichen Fall leitete.
Auch kleine Mengen von Kokain in Wohnung des Witteners gefunden
Auch abgehörte Telefonate und Handy-Chats erhärteten den Verdacht. Im April 2021 schließlich fanden bei den beiden verbandelten Drogendealern fast zeitgleich Wohnungsdurchsuchungen statt. Bei dem angeklagten Polizisten fanden die Ermittler neben kleineren Mengen an Kokain und Marihuana auch Verpackungsmaterialien und Tupperdosen mit Drogenspuren – und 220 Potenzpillen. Später wurde im Spind auf der Dienststelle in Bochum auch Zahnseide mit Anhaftungen von Kokain gefunden.
Den Handel mit Betäubungsmitteln gab der Angeklagte zu Beginn der Verhandlung zu. Die Potenzmittel seien jedoch zum Eigengebrauch gewesen, um sein Liebesleben „aufzupeppen“. Ab und zu habe er mal einem Kumpel eine Pille abgegeben, aber ohne dafür Geld zu verlangen. „Das ist eine ungewöhnliche Vorratshaltung, die Sie da haben“, kommentierte die Vorsitzende Richterin die Aussage des 41-Jährigen.
Amtsgerichtsdirektorin: Nur die Spitze des Eisbergs
„Überhaupt hat man beim Lesen der Akte den Eindruck, das alles ist nur die Spitze des Eisberges“, sagte Amtsgerichtsdirektorin Barbara Monstadt. So waren etwa auf dem Konto des Angeklagten über einen Zeitraum von rund einem Jahr 200.000 Euro eingezahlt worden – jeweils bar in größeren Summen, mal 20.000, mal 35.000 Euro. Das Geld stamme vom Glücksspiel, aus dem Casino, zum Teil von seinen Eltern, behauptete der Wittener.
Außerdem wurden im beschlagnahmten Laptop des Mannes 16 volksverhetzende Bilder und mindestens einkinderpornografisches Fotogefunden. Bei der Hausdurchsuchung stießen die Beamten auch auf ein Hitler-Buch.
„Im Dienst einen geballert“
Als Zeugin geladen war ebenfalls eine junge Polizistin aus Bochum. Die Auswertung der sichergestellten Handys des Angeklagten hatten zahlreiche eindeutige Chats über bevorstehende Drogenübergaben zwischen ihr und dem Kollegen zu Tage gefördert. Auch die 29-Jährige ist dafür schon angeklagt. Vor Gericht aussagen wollte sie dementsprechend auch nicht. Die Auswertung ihres Handys hatte ergeben, dass sich mutmaßlich beide Kollegen „im Dienst einen geballert“ haben, wie es in einer Chat-Nachricht heißt. Sie verabredeten auch eine Marihuana-Übergabe im Gebäude der Hundertschaft der Polizei.
Die Vorsitzende Richterin betonte das schwierige Umfeld, in dem die Ermittlungen stattgefunden hätten. Viele Befragungen hätten wenig ergeben, mehrere Kollegen warteten mit Erinnerungslücken auf. Oder wie der Staatsanwalt es formulierte: „Die haben Unfug erzählt.“
Handel mit Potenzmitteln war nicht nachzuweisen
Für den Handel mit Betäubungsmitteln in einem besonders schweren Fall verurteilte das Schöffengericht den Mann schließlich zu einem Jahr und acht Monaten Haft auf Bewährung. Die Tatsache, dass er Polizist sei, der geschworen habe, Recht und Gesetz zu achten, wiege schwer, so die Richterin in ihrer Urteilsbegründung. Auch dass er Drogen an andere Polizisten verkauft und in den Räumen der Polizei gedealt hat, habe sich verschärfend auf die Strafe ausgewirkt. Den Handel mit Potenzmitteln konnte ihm das Gericht hingegen nicht nachweisen.
Drei Jahre lang darf sich der verurteilte Beamte nun nichts mehr zu Schulden kommen lassen, so lange läuft die Bewährungszeit. Zusätzlich muss er eine Geldstrafe von 4000 Euro zahlen. Da das Strafmaß ein Jahr überschreitet, wird der bislang nur vom Dienst suspendierte Mann nie wieder Polizist sein.