Witten. Polizeirat André Berger leitet neuerdings die Inspektion in Witten. 100 Beamte hören auf sein Kommando. Der 37-Jährige ist andere Städte gewohnt.
Mit Großstädten wie Wuppertal ist Wittens neuer Inspektionsleiter André Berger ganz andere Kaliber von Kriminalität gewohnt. Trotzdem gilt auch die Ruhrstadt nicht als Insel der Seligen. Jedenfalls gibt es für seine 100 Mann starke Truppe genug zu tun. Der 37 Jahre junge Polizeirat will einige Schwerpunkte setzen, etwa bei der Bekämpfung der Clan-Kriminalität und der „Poser“-Szene, also jungen Autofahrern, die in aufgemotzten Limousinen kräftig Gas geben.
Berger, Vater eines 15 Monate alten Sohnes und wohnhaft in Odenthal im Rheinisch-Bergischen Kreis, hat die Nachfolge von Dorothee Gellenbeck angetreten. Sie wechselte nach drei Jahren als Dozentin an die Fachhochschule für Verwaltung. Mit André Berger folgt ihr ein junger Beamter, der nach der Ausbildung zum gehobenen nun auch den Sprung in den höheren Dienst geschafft hat. Er war Pressesprecher der Polizei in Wuppertal und saß in der Führungsstelle in Remscheid. Ihm ist der Dienst auf der Straße aber nicht fremd.
Streife mit dem Motorrad gefahren
„Wachdienst, Hundertschaft, Kradfahrer, ein bisschen hab ich auch was praktisch gemacht“, sagt Berger lachend. Mit 18 kam der Dauerläufer und Fußballschiri nach dem Abi zur Polizei. Hat also schon eine Menge Erfahrung. Und ist froh, mit Wachleiter Reinhard Glowka einen alten Hasen noch bis zu dessen Pensionierung im Frühsommer an seiner Seite zu wissen. Glowka ist einer, der Witten wie seine Westentasche kennt.
Clan-Kriminalität? „Hier kein Problem“, sagt der Neue. Und schiebt nach: „Auch in Witten geht es darum, mögliche Strukturen zu erkennen.“ Die Razzia kürzlich in mehreren Wittener Shisha-Bars dürfte nicht die letzte gewesen sein. Poser-Szene? „Die jungen Leute wollen Macht demonstrieren, wenn sie in der Innenstadt abends ihre Pirouetten auf der Straße drehen“, sagt Reinhard Glowka. Auch das könne etwas mit Clan-Kriminalität zu tun haben. Und beide sagen: „Wir müssen uns nicht alles gefallen lassen.“ Glowka räumt ein, dass es „immer mal wieder“ Beschwerden über solche Raser auf der Wiesen-, Haupt- oder – „nach der Kurve an der Ardeystraße“ – der Annenstraße gebe. „Da drehen die dann auf den ersten Metern auf.“ Leider seien solche Vergehen oft nur schwer nachzuweisen.
Jugendkriminalität? Gangs? Angsträume? Auch das war in Witten vor nicht allzulanger Zeit noch ein großes Thema. Gerade die Geschäftsleute im Johannisviertel und am Rathausplatz konnten ein Lied davon singen. Annen galt nach der tödlichen Messerstecherei im April 2018 ebenfalls nicht gerade als ruhiges Pflaster.
Inzwischen ist der Intensivtäter aus Wetter, der für einige Taten in der Wittener City verantwortlich sein soll, von der Bildfläche verschwunden. Wachleiter Reinhard Glowka sieht auch den Treffpunkt Joints rauchender oder randalierender Jugendlicher auf dem Parkplatz neben der ehemaligen Ostermannverwaltung inzwischen entschärft und die Lage in Annen insgesamt „total beruhigt“. Der neue Inspektionsleiter Andre Berger ergänzt: „Man muss aber ein Auge draufhaben.“
Für Probleme in der Wittener City „fast einen eigenen Sachbearbeiter abgestellt“
Für die Probleme rund um Kornmarkt und Lutherpark habe man nach Gesprächen mit Stadt und Kirche ja fast einen eigenen Sachbearbeiter abgestellt, sagt Glowka. Insgesamt hätte sich die Situation auch dort beruhigt. „Früher fand man noch ohne Ende Spritzen in der Nähe des „Haus am Park“. Das ist viel besser geworden.“ Dass es trotzdem Angsträume gibt, ob Lutherpark oder Rheinischer Esel bei Dunkelheit, leugnen die Polizisten nicht.
Sie loben zwar die Ordnungspartnerschaften gerade mit der Stadt. Verhehlen aber auch nicht, dass die Polizei schon personell nicht in der Lage dazu sei, an all diesen sensiblen Stellen dauerhaft Streife zu gehen. Mit der Stadt würden aber weiterhin Schwerpunktkontrollen durchgeführt, etwa beim Jugendschutz auf Schulhöfen oder in Spielhallen. Der neue Inspektionsleiter kündigt auch weitere Schwerpunktkontrollen in der „Poser-Szene“ oder – siehe oben – in der Shishabar-Szene an. Der Schwerpunktdienst „Verkehr“ werde für Tempokontrollen ebenfalls gerne herangezogen.
Weniger Wohnungseinbrüche in Witten
Die Zahl der Wohnungseinbrüche ist rückgängig und auch bei der Unfallbilanz stehen Polizeipräsidien wie Bochum gut da. Allerdings müsse man „ein bisschen“ auf die Radfahrer achten, sagen Berger und Glowka, denen der schwere Unfall am Donnerstag (19.12.) mit einem jungen Radfahrer auf der Wetterstraße noch zu schaffen macht.
Radverkehr nimmt auch in Witten zu
Mehr Pedelecs, der Trend zum Radfahren – all das will aus polizeilicher Sicht sorgfältig begleitet werden. André Berger: „Wir müssen die Autofahrer sensibilisieren und die Fahrradfahrer, die Verkehrsverstöße begehen, sanktionieren.“ Trunkenheit im Sattel sei keine Ausnahme mehr.
Fazit des neuen Inspektionsleiters: Ihn erwarten in Witten keine größeren Baustellen, außer denen, die buchstäblich auf der Straße liegen. Aber die Pferdebachstraße ist wieder ein anderes Thema...