Witten. Steigende Zinsen setzen den Haushalt in Witten zusehends unter Druck. 2023 werden mehr als 5,9 Millionen Euro fällig. 2022 waren es 1,6 Mio.

Die Zinsen steigen derzeit weiter an. Sparer freut das. Weniger positiv ist diese Entwicklung hingegen für einen Schuldner wie die Stadt Witten. Denn mit den Zinsen wächst auch der Betrag, den Verwaltung und Politik im Jahr aufbringen müssen, um ihre Kredite zu finanzieren. Besonders in Verbindung mit den Altlasten der Kommune berge das „Sprengstoff in erheblichem Ausmaß“, warnt Kämmerer Matthias Kleinschmidt.

In den letzten Jahren habe die Stadt stets unter zwei Millionen Euro für Zinsen auf Liquiditätskredite bereitstellen müssen. Im Jahr 2022 etwa 1,6 Millionen. Verglichen mit dem Gesamtvolumen des Haushaltes von 320 Millionen Euro sei das an sich nicht viel. „Mit zwei Millionen kann man rechnen“, sagt Kleinschmidt. „Doch aktuell gewinnt das eine unglaubliche Dimension.“

Witten zahlt 2023 mindestens 5,9 Millionen Euro an Kreditzinsen

Schon der für die Planung des Haushalts 2023 angenommene Zinssatz von zwei Prozent lässt den Betrag um mehr als das Dreifache in die Höhe schießen: 5,9 statt 1,6 Millionen Euro an Zinsen zahlt die Stadt voraussichtlich in diesem Jahr. Doch 2023 werden knapp 60 Prozent der städtischen Liquiditätskredite auslaufen, die Stadt muss dann neue Verträge abschließen. „Wo wir vorher ein Prozent Zinsen gezahlt haben, werden es jetzt eher drei sein“, schätzt Kleinschmidt. Wahrscheinlich würden die 5,9 Millionen nicht zu halten sein.

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Die Entwicklung werde vorangetrieben durch den schnellen Zinsanstieg und einen negativen Zinseszins-Effekt, der den Berg an Schulden immer weiter anwachsen lässt, so der Kämmerer. Vereinfacht funktioniert das so: Wer 100 Euro Kreditschulden hat und darauf zehn Prozent Zinsen zahlt, muss im kommenden Jahr eine Schuld von 110 Euro Zinsen zahlen, also auf die Grundschuld plus die angefallenen Zinsen von zehn Euro. Wird der Kredit nicht getilgt, erhöht sich die Schuld somit kontinuierlich.

Wittens Stadtkämmerer Matthias Kleinschmidt warnt vor den Folgen steigender Zinsen in Verbindung mit den hohen Altschulden der Stadt. Die Entwicklung berge „Sprengstoff“.
Wittens Stadtkämmerer Matthias Kleinschmidt warnt vor den Folgen steigender Zinsen in Verbindung mit den hohen Altschulden der Stadt. Die Entwicklung berge „Sprengstoff“. © FUNKE Foto Services | Alexa Kuszlik

Kämmerer drängt auf schnelle Entschuldung der Kommunen

Und der Grundsockel an Schulden, auf dem Witten sitzt, ist bereits hoch: Rund 320 Millionen Altschulden lasten auf der Stadt. Umso ärgerlicher ist es für den Finanzchef der Stadt, dass der Staat die Kommunen nicht längst entschuldet hat. „Vor zwei Jahren hat der Bund Negativzinsen etwa auf seine Staatsanleihen gezahlt“, sagt Kleinschmidt. „Hätte der Bund damals die Schulden der Städte übernommen, wären wir sie los und der Staat hätte damit noch Geld verdient.“

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Dieses Jahr nun sieht der Kämmerer als letzte Chance an, die Kommunen doch noch zu entschulden. „Der Zinsanstieg ist nicht zu Ende. Wir sollten jeden Tag nutzen.“ Allein für Witten bedeutet eine Zinserhöhung um einen Prozentpunkt zusätzliche 3,3 Millionen Euro, die an Zinsen gezahlt werden müssen.

Bei steigenden Zinsen drohen Nothaushalte ohne Investitionen

Sollte die Entwicklung unverändert voranschreiten, würde Witten im Jahr 2026 rund 11,9 Millionen Euro allein für die Zinsen seiner Liquiditätskredite aufbringen müssen. Gerechnet mit einem bis auf 3,2 Prozent gestiegenen Zinssatz. „Und mit dieser Annahme sind wir noch eher optimistisch“, sagt Kleinschmidt.

Einen solch großen Posten könne man dann nicht mehr im städtischen Haushalt ausgleichen. „Da bewegen wir uns Richtung Nothaushalt, ohne Investitionen, ohne Sanierungen“, so der städtische Kämmerer. Eine Steigerung von unter zwei auf elf Millionen Kreditzinsen würde die Stadt in den Zustand vor 2012 zurückwerfen. „Das würde bedeuten: dauerhaft nicht genehmigte Haushalte, steigende Verschuldung“, so Kleinschmidt.

Gerechtere Finanzverteilung gefordert

Was das Anwachsen der Kreditlast der Stadt ebenso vorantreibt, sind die Kosten der Folgen von Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg. Diese können zwar formal aus dem Haushalt isoliert, sprich ausgegliedert, werden. „Trotzdem müssen dafür Kredite aufgenommen werden, die unterschiedlichsten Dinge davon bezahlt werden“, sagt Kleinschmidt.

Der städtische Hauhalt mache mit vielen Positionen Verlust, so der Kämmerer. Das seien etwa Kita, OGS, Sozialhilfeleistungen oder Flüchtlingshilfe. Hier gebe es erhebliche Probleme zu lösen. „Das gehört auf staatliche Ebene“, fordert der Kämmerer eine gerechte Finanzverteilung zwischen Kommunen, Land und Bund.