Witten. Der Kämmerer hat den Haushaltsentwurf für 2023 eingebracht. Sein Etat schließt mit einem Minus. Das liegt nicht nur an Corona und Energiekrise.
Ein Minus von knapp 790.000 Euro steht unter dem Haushaltsentwurf von Wittens Kämmerer Matthias Kleinschmidt für das Jahr 2023, der mehr denn je ein Krisenhaushalt ist.
Selbst in den zwei Corona-Jahren 2021 und 22 hatte die Stadt zumindest formell ein kleines Plus erwirtschaften können – nach Herausrechnen der Folgen der Pandemie. Doch nun muss Kleinschmidt einen unausgeglichenen Haushalt vorlegen. Der das wahre Ausmaß der Verluste auf den ersten Blick nicht zeigt.
Denn eigentlich macht die Stadt im kommenden Jahr ein Minus von knapp 26,7 Millionen – ähnlich viel wie 2021. Für die vier Jahre bis einschließlich 2026 geht der Kämmerer sogar von insgesamt 71 Millionen Euro Verlust aus. „Städte und Gemeinden steuern auf eine enorme Finanzkrise zu“, so Kleinschmidt. Zwar sieht ein neuer Gesetzentwurf vor, dass Kommunen nun auch die Folgen des Ukraine-Kriegs aus ihren Planungen „herauskalkulieren“ dürfen, vor allem Steuerausfälle und die enorm gestiegenen Energiepreise.
„Isolation“ der Millionendefizite verschiebt Wittener Problemlösung auf die Zukunft
Für Kleinschmidt ist das aber lediglich „ein Instrument, um Zeit zu gewinnen“. Die Problemlösung werde auf die Zukunft vertagt, so der Beigeordnete bei der Einbringung des Haushaltsentwurfs in der letzten Ratssitzung am Montag. Denn die „zurückgestellten“ Beträge müssen ab 2026 über einen Zeitraum von 50 Jahren zurückgezahlt, beziehungsweise erwirtschaftet werden. „Um die zeitliche Dimension einmal zu illustrieren: Wer heute 18 ist, zahlt mit Eintritt in die Rente den letzten Isolierungs-Euro ab“, so Kleinschmidt.
Entsprechend eindringlich schwor denn auch Bürgermeister Lars König den Rat auf die kommende Zeit ein und forderte Zusammenhalt. „Ich wünsche mir positive Energie“, so König. „Kein Gegeneinander von Rat und Verwaltung, kein Denken in politischen Blöcken, sondern alle gemeinsam für Witten.“ In den vergangenen fünf Jahrzehnten habe es keine vergleichbar schwierige Situation gegeben. Nun gelte es, dialogorientiert miteinander zu arbeiten und so trotz aller Widrigkeiten einen Mehrwert für Witten zu schaffen.
Neue Herausforderungen treffen auf sinkende Einnahmen
Denn – das machte Matthias Kleinschmidt klar – ein „Weiter so“ könne es nicht geben. Viele neue Ansprüche treffen auf sinkende Einnahmen. Auf der einen Seite stehen dabei etwa die drohende Rezession, hohe Inflation und Steuereinbrüche. Auf der anderen die Rechtsansprüche auf einen Kita- und OGS-Platz, der Investitionsbedarf für Schulen und Straßen oder die Finanzierung der Sozial- und Jugendhilfe.
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Dass der Haushalt für 2023 auch dann ein Minus zeigt, wenn man die Kriegsfolgen herausrechnet, liegt an mehreren gesellschaftlichen Entwicklungen. So steigen etwa eben jene Ausgaben für Jugendhilfe dynamisch. Im kommenden Jahr sind für ambulante und stationäre Unterstützung von Familien 29 Millionen Euro im Etat vorgesehen. 2021 waren es noch 23,3, fünf Jahre zuvor 18,3 Millionen.
Stadt muss klare Prioritäten setzen
Auch die Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten war schon vor dem Ukraine-Krieg ein Dauerthema. Die Stadt sieht Bund und Land stärker in der Pflicht, diese Kosten mitzufinanzieren. Für Geduldete muss die Stadt sogar alleine zahlen – was im Schnitt mit rund fünf Millionen Euro im Jahr zu Buche steht. „Und das Defizit steigt jährlich“, sagt Kleinschmidt. Gleichzeitig kostet etwa der Ausbau von Kita- und OGS-Plätzen viel Geld. „Aber er ist natürlich sinnvoll und nötig.“
Die Stadt wolle deshalb künftig klare Prioritäten setzen, etwa bei Klimapolitik, Digitalisierung und Bildung. Im Umkehrschluss bedeute das aber auch, zu definieren, was keinen Vorrang habe und vielleicht aufgegeben werden müsse. Gleichzeitig müssten aber auch Bund und Land mit in dieselbe Richtung gehen, machte der Kämmerer klar. So müssten etwa laufende Defizite dringend ausgeglichen und Altschulden endlich massiv abgebaut werden.