Witten. Die untere Bahnhofstraße in Witten ist bunter geworden, sagen nicht nur Geschäftsleute. Trotzdem bleiben altbekannte Probleme auf der Meile.
Wachsender Online-Handel, das Kaufhof-Aus, Corona und die Energiekrise: All das setzt einer Stadt wie Witten zu. Wie steht es eigentlich in diesen schwierigen Zeiten um die untere Bahnhofstraße – lange das Sorgenkind in der City? Wer sich dort aufhält, der wird bemerken, dass sich das Problem auf das Ende der Fußgängerzone verlagert hat. Zwischen Berliner Platz und City-Passage dagegen: Multi-Kulti und Neueröffnungen.
So hat Zeynep Aksüt vor etwa acht Monaten den Laden „Ayze Moda“ unten in der Passage gegenüber vom Fitnessstudio eröffnet. Feine Abendroben mit mehr oder weniger Glitzer sowie Brautmode bietet die 47-Jährige dort an. „Es ist der einzige Laden mit solcher Kleidung in Witten“, sagt die Inhaberin, eine ehemalige Reinigungskraft, die auf diesen Job keine Lust mehr und sich daher selbstständig gemacht hat. Und wie läuft’s? „Geht so“, sagt Aksüt. Doch sie sei zufrieden.
Noch nicht so lange in Witten: Abendmodeladen und arabische Süßigkeiten
Ebenfalls relativ neu ist der arabische Süßwaren-Laden „Al Midan“, der zwischen Syrischem Haus und dem Gül Market liegt. Neben Letzterem befindet sich ein weiterer türkischer Supermarkt. Gegenüber verkauft das Ehepaar Bozkurt nicht nur Sesamkringel in der Bäckerei „Mr. Simit“. Es gibt die Barber Lounge und weitere türkische Friseure.
Waseem Rehani bietet seit vergangenen März in seinem „Chez Moi Kristall“ besonderes Geschirr und Wohnaccessoires an. Der Klamottenladen, der vorher drin war, ist um die Ecke gezogen. Der 25-Jährige erzählt, dass er 2015 als syrischer Flüchtling nach Witten kam. In seiner Heimat habe seine Familie ähnliche Geschäfte betrieben. Mit seinem Laden wolle er der Stadt etwas Neues bieten, was es so vor Ort noch nicht gibt.
Wittener Geschäftsfrau: Untere Bahnhofstraße weiter von City abgeschnitten
Er habe geschaut, wo ein passender „Spot“ für ihn wäre. „Ich wollte dahin, wo Fußgänger vorbeilaufen. Hier in der Umgebung kaufen täglich Familien ein“, sagt Rehani. Die Lage sei gut, der Vermieter toll – da habe er die Chance ergriffen. „Irgendjemand musste ja hier rein, sonst stirbt die Stadt immer mehr.“ Eine ältere Dame blickt gerade ins Schaufenster und staunt über das Angebot: „Hier gibt es schon besondere Geschäfte. Auswahl und Qualität sind gut“, sagt die 75-jährige Herbederin über diesen Teil der Bahnhofstraße.
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Auch Lena Tuszynski vom Dessousfachgeschäft „Busenfreundin“ freut sich über die Cafés, Imbissläden, Supermärkte und das benachbarte Tattoo-Studio. „Hier ist es jetzt belebt. Das ist alles inhabergeführt. Die Leute geben sich wirklich Mühe.“ Aber: Wer dort einkaufe, der komme nicht in ihr Geschäft. Zum Glück habe sie ihre Stammkundschaft. Sie habe durchaus schon mit dem Gedanken gespielt, auf die obere Bahnhofstraße zu wechseln. Allerdings sei ihr die Miete dort zu hoch.
Was Lena Tuszynski ebenfalls ein Dorn im Auge ist: An der unteren Bahnhofstraße sei man von der City abgeschnitten. „Daran hat sich seit Jahren nichts geändert.“ Ihr Wunsch: Ganz unten bräuchte es etwas Attraktives – so wie die Stadtgalerie. Denn das Ende der Bahnhofstraße sei tot.
Mindestens vier große Ladenlokale stehen dort leer. Wenn im Unikat-Club gerade nichts los ist, wirken dessen große und weitgehend undekorierte Fensterfronten nicht unbedingt einladend. Geblieben sind Reisebüro, Nagelstudio, City-Treff und Kebap-Haus sowie die Einhorn-Apotheke neben dem Durchgang zum Breddegarten.
Wittener Innenstadtbüro: Es ist deutlich bunter geworden
Alexander Kutsch vom Innenstadtbüro weiß um das zwiegespaltene Bild auf Wittens Sorgenmeile. Er sei froh, dass es dort zumindest in Teilen Bewegung gibt. „Es ist deutlich bunter geworden.“ Viele spezielle Angebote mit einem hohen Grad an Nahversorgung: „Damit zeichnet sich auch in Witten ab, was man in anderen Städten beobachten kann“, so der Raumplaner. „Viele Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen haben den Mut gefunden, sich selbstständig zu machen.“ Die untere Bahnhofstraße sei damit eine Art Spiegel unserer Gesellschaft.