Witten. Mehrwegbecher auf Zuckerbasis - auf diese Idee kam ein Wittener. Seine Firma ist derzeit auf Erfolgskurs – auch dank der Mehrwegpflicht.

Vor rund vier Jahren beendete Rafael Dyll seine Karriere in einer Medienagentur und gründete ein eigenes kleines Unternehmen namens Cuna. Seine Idee: Mehrwegbecher aus nachhaltigem Material. Mittlerweile kooperiert Dyll, der lange Jahre in Witten gelebt hat, nicht nur mit dem Fraunhofer Institut.

Seine Becher aus nachwachsenden Rohstoffen soll es bis Ende des Jahres an etwa 1000 Ab- und Rückgabestellen geben. Aufwind bekommt die Firma besonders durch die ab Januar 2023 gültige Mehrwegangebotspflicht in der Gastronomie. Lokale, aber auch Bäckereien oder Tankstellen, müssen ihren Kunden dann immer eine Alternative zur Einwegverpackung anbieten.

Idee zum Mehrweg-System kam in der Pandemie

Dabei lief der Start des jungen Unternehmens alles andere als reibungslos. Nach eineinhalb Jahren Entwicklungszeit hielt Dyll die allererste Palette seiner Becher aus zuckerbasiertem Kunststoff in den Händen. Es war der 16. März 2020. Am gleichen Tag schickte Kanzlerin Angela Merkel das Land in den ersten Lockdown. „Für uns bedeutete das: Keine Messen, keine Kunden-Akquise, keine Gastronomie“, erinnert sich Dyll.

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Doch „Cuna“ überlebte und entwickelte sich weiter. „Während der Pandemie entstand erst die Mehrweg-Idee“, sagt der 49-Jährige. Und die trägt heute entscheidend zum Konzept der Firma bei, die mittlerweile in Dortmund sitzt. „Unsere Stärke ist die Nachhaltigkeit, dadurch grenzen wir uns ab“, sagt der Medienfachwirt. Und die erreicht das Unternehmen auf mehreren Wegen.

In den Cuna-Bechern steckt auch ein Anteil Holz.
In den Cuna-Bechern steckt auch ein Anteil Holz. © Cuna

Becher mit negativer CO2-Bilanz

So bestehen die Cuna-Becher, anders als die Produkte von Mitbewerbern, zu über 90 Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen – und nicht aus Mineralöl. Genauer gesagt wird für die Produktion ein Alkohol verwendet, der aus Zucker-Resten gewonnen wird. Dadurch seien die Trinkgefäße nicht nur CO2-neutral, sondern wiesen sogar eine negative CO2-Bilanz aus, sagt Dyll. Ein Kilo Material binde 1,5 Kilo CO2.

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Gastronomen, etwa Café-Besitzer, leihen sich von Cuna ein bestimmtes Kontingent an Bechern und zahlen dafür einen monatlichen Beitrag. Der Kunde selbst muss zwei Euro als Pfand hinterlegen. Gibt er den Becher zurück, erhält er sein Pfand zurück. Ist ein Becher abgenutzt oder beschädigt, nimmt Cuna ihn zurück – und recycelt ihn. Aus alten Bechern wird Granulat für neue. „In zwei bis drei Jahren können wir hoffentlich schon 50 Prozent des Materials recyceln und müssen es nicht neu herstellen“, so Gründer Dyll. Damit schließt sich der Kreislauf des Produkts.

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Schon über 150.000 Cuna-Becher im Umlauf

Dabei ist Dyll kein visionärer Umwelt-Aktivist. Vielmehr ein Pragmatiker mit ausgezeichnetem Gespür für den Puls der Zeit. Dass dem Thema Nachhaltigkeit die Zukunft gehöre, sei 2018 schon offensichtlich gewesen, sagt Dyll. Der Bereich Gastronomie sollte es sein. „Und es war klar, dass Mehrweg immer größer wird.“ Und fertig war die Geschäftsidee.

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50. bis 60.000 Cuna-Becher sind bereits deutschlandweit im Umlauf – mit einem Schwerpunkt im Ruhrgebiet und NRW. 100.000 neue Becher befänden sich gerade in der Auslieferung, erzählt Dyll. Und die nächste Produktion sei bereits in Planung. Die ab Januar geltende Mehrwegangebotspflicht hat die Nachfrage nach den Bechern, die bis zu zehn Jahre nutzbar sein sollen, angekurbelt.

Im Zuge dessen entstand auch die noch junge Zusammenarbeit mit der Bäko, der Bäcker- und Konditorengenossenschaft. Der Großhandel der Bäcker und Konditoren wirbt bei seinen Mitgliedern für die Cuna-Becher aus biobasiertem Kunststoff – und das deutschlandweit.

Firma entwickelt spezielle Becher für Lauf-Events

Ebenso stolz ist er aber auf eine neue lokale Partnerschaft: Die Bäckerei Grobe, mit Sitz in Dortmund, wird ab Januar in ihren Filialen in insgesamt zwölf Städten, darunter auch Witten, Kaffee und heiße Getränke in Cuna-Bechern anbieten. Das Ruhrgebiet liegt Dyll am Herzen: Aufgewachsen ist der heute 49-Jährige zwar in Südafrika. Am Ende seiner Jugend zog es die Familie aber zurück nach Witten. Hier machte Dyll seinen Schulabschluss und eine Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann. Eines der ersten Cafés überhaupt, die Cuna-Becher genutzt haben, ist das Raum Café an der Wiesenstraße.

Als nächsten Schritt will die Firma nun auch den Event-Markt erobern. Auch hier hat man schon einen großen Partner an Land gezogen. Erst wenige Tage alt ist die Kooperation mit der Agentur SCC Events, die viele Lauf-Events wie den Berlin Marathon organisiert. Es geht darum, jene Pappbecher zu ersetzen, mit denen die Sportler am Wegesrand mit Wasser versorgt werden. Ein bis zwei Millionen Becher würden alleine auf diesem Wege jährlich im Müll landen, sagt Dyll. Dafür hat Cuna nun einen Spezialbecher entwickelt. Und mit Blick auf den Sommer „habe man den Eisbecher-Markt“ im Blick.

Idee einer Kreislaufwirtschaft

Das Wort cuna ist Spanisch und bedeutet Wiege. Dyll will damit auf das „cradle to cradle“-Prinzip verweisen (engl. von Wiege zu Wiege). Dabei handelt es sich um die Idee einer Kreislaufwirtschaft, in der Produkte am Ende nicht im Müll landen, sondern als Rohstoff wieder in die Produktion zurückfließen.

Seit Ende 2021 produziert Cuna auch in Kooperation mit dem Fraunhofer Institut NRW in Lemgo. Dort steht die „Smart Factory OWL“. In ihr forschen Wissenschaftler im laufenden Produktionsprozess an der Gestaltung der Fabrik der Zukunft ebenso wie an einer künftigen digitalen Produktion von biobasiertem Kunststoff.