Ruhrgebiet. Von Januar an müssen alle, die Essen und Getränke außer Haus verkaufen, auch ein Mehrweg-System anbieten. Doch viele ahnen nicht, was da kommt.

In Juni hat die Verbraucherzentrale es einfach wissen wollen. Hat in elf Städten in NRW je zehn Tester mit eigenem Geschirr losgeschickt. Die Frage: Würden sie in Gaststätten mit Außer-Haus-Verkauf und in Imbissbuden die Mahlzeiten in die Schüsseln und Teller bekommen, die sie wie selbstverständlich hinhielten?

Die Antwort war ganz überwiegend: ja. Unter anderem in Bochum, Dortmund, Hagen und Marl hat das fast jedes Mal geklappt. Die andere Erkenntnis in diesem Zusammenhang formuliert die Umweltberaterin Friederike Farsen allerdings so: „Es tut sich was, aber sehr, sehr langsam.“ Das hätte man jetzt nicht unbedingt wissen wollen.

Einweg wird nicht abgeschafft, aber eine Alternative erzwungen

Mit Aufklebern wie diesen werben teilnehmende Restaurants um Kundschaft.
Mit Aufklebern wie diesen werben teilnehmende Restaurants um Kundschaft. © FUNKE Foto Services | Jakob Studnar

Also: Vielen Gastronomen ist noch gar nicht klar, dass sie vom 1. Januar 2023 an jedes Essen und jedes Getränk, das außer Haus geht, auch in einem Mehrweg-System anbieten müssen. Einweg wird nicht abgeschafft, aber eine Alternative wird erzwungen. Das steht seit 2021 im Verpackungsgesetz (VerpackG2), aber wahrscheinlich werden Gastronomen und Verbraucher im Spätherbst 2022 davon sehr überrascht werden. Der Mensch ist einfach so.

Die Verpflichtung gilt für Bistros, Cafés, Restaurants, Kantinen, Lieferdienste; für den Metzger mit heißer Theke und den Bäcker, der frisches Rührei herausgibt. Mit einer halben Ausnahme: Betriebe mit fünf oder weniger Mitarbeitern, die auch noch kleiner sind als 80 Quadratmeter, müssen kein Mehrweg-System anbieten; aber sie müssen Geschirr befüllen, das Kunde und Kundin hinstellen.

„Die Kunden sollen mit einem guten Gefühl rausgehen“

Eine, die seit Jahren nur mit Mehrweg arbeitet, ist Katja Vogt (52) in Unna. Sie führt dort mit ihrem Mann das Bistro „Refugio“ und benutzt Einweck-Gläser, nachhaltige Verpackungen und Mehrweg-Systeme schon aus umweltschützender Überzeugung; verkauft vor allem Nudelgerichte, Salate - und gutes Gewissen gleich mit. „Die Kunden sollen mit einem guten Gefühl rausgehen“, sagt Katja Vogt.

Das Mehrweg-System, dem sie sich angeschlossen hat, ist einer der größeren Anbieter in Deutschland: Vytal. Vytal stellt Schüsseln unterschiedlicher Größe, das Bistro zahlt dafür 15 bis 20 Cent je Ausleihe. Kunden müssen sich in einer App registrieren und bekommen über QR-Codes die Schüsseln zugeordnet, die sie ausgeliehen haben.

Eine Mehrweg-Welt, in der Schüsseln Vornamen tragen

Das kostet sie nichts, aber wenn die Sachen nicht nach zehn Tagen zurückkommen, werden jeweils 10 Euro fällig. Zwei Tage vor Ende der Frist mahnt die App sie an. Und weil leider nicht jeder Mensch darin geübt ist, QR-Codes voneinander unterscheiden zu können, tragen die Schüsseln aufgedruckte Namen. „Carolin muss zurückgegeben werden.“ Oder Rocco. Oder Batman. Es gibt auch eine Schüssel namens Siri, aber auf „Siri, bring dich zurück“ reagiert sie einfach nicht.

Mit Apps arbeiten mehrere Anbieter, mit einfachem Pfand andere. Vogt, unsere engagierte Wirtin, hat sich für dieses entschieden nach intensiven persönlichen Tests. Hat die Schüsseln eingefroren, durch die Spülmaschine und die Mikrowelle gejagt, hat sie mit heißer Suppe befüllt und auf den Kopf gestellt. Dicht? Dicht!

Gastronominnen fürchten vor allem höhere Kosten

Verpackungsmüll türmt sich in einem Abfalleimer in Mülheim. Nach Zahlen der Bundesregierung entstehen aus Einwegverpackungen der Gastronomie 770 Tonnen Müll - jeden Tag.
Verpackungsmüll türmt sich in einem Abfalleimer in Mülheim. Nach Zahlen der Bundesregierung entstehen aus Einwegverpackungen der Gastronomie 770 Tonnen Müll - jeden Tag. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

„Jeder Kollege, der sagt, dass nachhaltige Verpackungen ihm zu teuer sind, dem sage ich: Ich habe darüber auch schon Kunden gewonnen“, sagt Vogt. Zahlen gibt es nicht, aber man kann treffsicher behaupten, dass die allermeisten ihrer Kolleginnen und Kollegen in NRW längst nicht so weit sind. Und tatsächlich fürchten sie vor allem höhere Kosten.

„Wir bieten Verpackungen aus Zuckerstoff-Alternativen an, aber die sind fünffach teurer als die aus Kunststoff“, sagt eine Frau in einem Imbiss in Gelsenkirchen. Und eine Kollegin: „Falls sie irgendwo Bio kriegen, ist das Plastik deutlich günstiger. Das müsste umgekehrt sein.“

Ein Wirt in Bottrop hat für sein Gasthaus eine andere Lösung gefunden. „Wir geben zum Teil auch unser Geschirr und unsere Töpfe mit, die Kunden bringen das dann zurück. Das ist ja schließlich auch ein Mehrweg-System“, so Manfred Süselbeck („Bodega“). Und Recht hat er: Auch diese Möglichkeit ist zugelassen, man muss sie nur durchhalten. Auf der Basis von Pfand - oder von Vertrauen.

„Es kommt jetzt sehr auf die Verbraucher an, dass sie es nutzen“

Umgekehrt gilt: Im Verpackungsgesetz ist die hässliche Rede von Bußgeld bis zu 100.000 Euro für diejenigen, die Mehrweg nicht anbieten. Die Portionen dürfen nicht kleiner, die Mahlzeiten nicht teurer sein, und die Ausgabe darf nicht erschwert werden. Für jede Getränkegröße, die Einweg angeboten wird, muss es eine gleichgroße Mehrweg-Lösung geben.

Aber noch mal: Einweg bleibt erlaubt. „Es kommt jetzt sehr auf die Verbraucher an, dass sie es nutzen“, sagt Frederike Farsen von der Verbraucherzentrale. Und die Unnaer Wirtin Katja Vogt: „Ich sage meinen Gästen, wenn ihr woanders bestellt, fragt nach, ob die keine Mehrwegbehälter haben. Der Druck muss von beiden Seiten kommen.“ Wegen ihrer langjährigen freiwilligen Nachhaltigkeit kann sie es auch paradox ausdrücken: „Ich begrüße, dass wir dazu genötigt werden.“