Witten. Die Flut 2021 hat sich ins Gedächtnis gebrannt. Umso wichtiger, dass Witten nun ein Konzept hat, das Klimafolgen mildert. Es gibt viel zu tun.
Großer Bahnhof für das Klima: Die Stadt Witten hatte zu Vortrag und Podiumsdiskussion in die Erlöserkirche eingeladen, um das neue „Klimafolgenanpassungskonzept“ vorzustellen. Doch die Resonanz war sichtlich gering. Eine Politikerin, Vertreter der Bürgerinitiative „Grüner Kornmarkt“ und nur wenige andere hatten den Weg dorthin gefunden. Dabei ging es um Maßnahmen, die die Folgen von Hitze, Starkregen und Stürmen in Zukunft abmildern sollen.
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„Keiner bleibt verschont“, hob Bürgermeister Lars König die Bedeutung des Themas in seiner Begrüßung hervor. „Wir müssen aus den Extremwetterlagen Konsequenzen für unser Handeln ziehen und das geht nur gemeinsam“, appellierte er an die wenigen Teilnehmenden. Die Hochwasserkatastrophe Mitte Juli 2021 hatte auch der Ruhrstadt zu schaffen gemacht.
Bochumer Büro erstellt Handlungskarte für Witten
Schon ein Jahr zuvor, 2020, wurde das Bochumer Büro K.Plan damit beauftragt, sich mit dem Klima in Witten und den Konsequenzen für die Stadtplanung zu beschäftigen. Wichtigstes Instrument wird in Zukunft eine „Handlungskarte“ sein. Ähnlich wie die bereits existierende „Starkregenkarte“ weist sie besonders gefährdete Hitzezonen und Überflutungsgebiete aus, aber auch bestehende Grünflächen und wichtige Frischluftschneisen.
Die positive Nachricht: „Witten befindet sich noch in einer relativ guten klimatischen Situation“, wie Monika Steinrücke von K.Plan erläuterte. Das liege vor allem an der im Vergleich zu anderen Revierstädten relativ guten Kaltluftversorgung. Ein großer Kaltluftstrom ziehe sich durchs Ruhrtal – weshalb Herbede weniger von Hitze betroffen sei.
Südhälfte Wittens stärker von Trockenheit betroffen
Viele bunte Einzelkarten hingen an der Wand der Erlöserkirche. Sie zeigten dem Publikum durch entsprechende Farbabstufungen, dass es in heißen Nächten in der City zehn Grad wärmer sein kann als in weniger stark bebauten Außenbereichen. Eingezeichnet sind auch sensible Einrichtungen wie Seniorenheime oder Kitas, weil ältere Menschen und Kinder besonders unter Hitze leiden. Die Karten machen ebenfalls deutlich: Die südliche Hälfte des Stadtgebiets, also gerade die Hölzer, ist stärker von Trockenheit betroffen. Erhöht liegende Gebiete, wie das Ardeygebirge, bekommen starke Stürme mehr zu spüren.
Das Büro hat ein Maßnahmenpaket mit Anregungen geschnürt, wie in Quartieren und an einzelnen Gebäuden der Schaden durch den Klimawandel verringert werden kann. Das soll nun bei anstehenden Bauvorhaben in jede Planung einbezogen werden, wie Stadtbaurat und Umweltdezernent Stefan Rommelfanger betonte.
Von der Fassadenbegrünung bis zur Flächenentsiegelung
So müsse in Zukunft etwa die Funktion einer kühlenden Grünfläche grundsätzlich erhalten bleiben. Es könnten mehr Schatten- und Wasserflächen geschaffen werden. Manchmal reichten da schon kleine Maßnahmen wie eine begrünte Pergola, so Monika Steinrücke. Helleres Pflaster erhitze sich an heißen Tagen um bis zu 20 Grad weniger als dunkler Asphalt. Die Entsiegelung bebauter Flächen, Fassadenbegrünung oder sogenannte unterirdische Baumrigolen, die Niederschlag auffangen und speichern – auch das seien mögliche Aspekte.
Dass Witten bei vielem längst am Ball sei, wollte Klimaschutzmanagerin Kaja Fehren nicht unerwähnt lassen. Sie verwies auf die 200 Ladesäulen für E-Autos, die bis 2025 errichtet werden sollen. Auch eine weitere Stelle fürs Klimaschutzmanagement sei beantragt. Stadtbaurat Rommelfanger erinnerte daran, dass nach dem Umbau der Sprockhöveler Straße das Wasser nicht in den Kanal fließe, sondern in den Wannenbach umgeleitet werde. Planungsamtsleiter Sebastian Paulsberg wies auf die Gründachfestsetzung fürs Gewerbegebiet Drei Könige hin.
Konzept am 1. Dezember Thema im Stadtentwicklungsausschuss
Bürgervorschläge berücksichtigt
Die Stadt hatte Bürgerinnen und Bürgern im Zuge des geplanten Klimafolgenanpassungskonzeptes zwei Workshops zum Thema Klimawandel angeboten. Dabei wurden über 200 Ideen und Vorschläge gesammelt, die in der Konzepterstellung berücksichtigt wurden.
Die Ergebnisse des Konzeptes und ein zugehöriges umfangreiches Kartenwerk sind unter www.witten.de/planen-bauen-wohnen/klimaschutz/klimaanpassungskonzept/ einsehbar.
Rechtlich verbindlich, wie Linken-Fraktionschefin Ulla Weiß anfragte, wird die Handlungskarte nicht werden. Doch sie diene bei Planungen als „stärkere argumentative Grundlage“, so Planungsamtschef Paulsberg. Der Stadtbaurat wird das Konzept am 1. Dezember dem Stadtentwicklungsausschuss vorlegen.
Die Bürger begrüßen die Strategie, sind aber auch skeptisch. „Wir müssen ein Auge darauf haben, ob das wirklich umgesetzt wird“, sagte eine Frau. Ein Zuhörer fragte sich angesichts des rasant fortschreitenden Klimawandels: „Dauert das alles nicht zu lange?“