Witten. Das jüngste Hochwasser hat die Schwachstellen der Ruhrstadt eindringlich vor Augen geführt. Wo Witten jetzt die Klimaanpassung umsetzen müsste.

Wenn es die Ruhrstadt auch nicht annähernd so stark getroffen hat wie andere Gebiete in NRW, müssen dennoch Lehren aus der Jahrhundert-Flut gezogen werden. Darin sind sich alle einig. Wie gut also ist Witten gegen Extremwetter geschützt? Wie sehr muss die Stadt nachbessern? Wo steht sie beim Klimaschutz? „Wir müssen unsere Aktivitäten zur Vorsorge und zum Risikomanagement verstärken“, stellt Stadtbaurat Stefan Rommelfanger klar.

Um den Klimawandel mit seinen Hitzeperioden und Starkregenereignissen besser bewältigen zu können, müsse sich eine neue Form des Städtebaus etablieren, die dem Prinzip der Schwammstadt folgt. Dazu zählt Rommelfanger etwa die Begrünung von Dächern oder die Entsiegelung von Flächen. Ein „Klimafolgenanpassungskonzept“ sei aktuell in Arbeit und solle bis Ende des Jahres fertig sein.

Wittener Stadtbaurat: Gewässer brauchen mehr Platz

Es sieht zum Beispiel vor, bei Neubebauungen ausreichend Raum für Wasser zu schaffen, etwa durch Grünflächen und Regenrückhaltebecken. So könne die Kanalisation entlastet werden. Zwar würden bei Baumaßnahmen bereits Rohre mit größerem Durchmesser verwendet. „Aber wir können nicht das gesamte System auf 100-jährigen Regen auslegen“, sagt Rommelfanger. Das sei zu teuer.

Die Gärten am Wannenbach in Witten sind bei stärkerem Regen stets überflutet. Im August sollen Spundwände errichtet werden.
Die Gärten am Wannenbach in Witten sind bei stärkerem Regen stets überflutet. Im August sollen Spundwände errichtet werden. © WAZ | Unbekannt

Auch die Gewässer selbst bräuchten mehr Platz. Sie müssten renaturiert, manche sogar aus dem Rohrsystem, durch das sie fließen, hervorgeholt werden. So wolle die Stadt etwa den Kamperbach renaturieren. Beim Wannenbach, der auch jetzt wieder über die Ufer getreten und in die Vorgärten der Anwohner geflossen ist, steht die Errichtung von Spundwänden im August kurz bevor. „Da ist uns der Starkregen dazwischengekommen“, sagt der Baurat.

Ruhrverband: Witten ist mit Auenflächen recht gut aufgestellt

Was die Ruhr betrifft, haben Wasserschutzzonen und Überschwemmungsbereiche vermutlich das Schlimmste verhindert. So hätten die vorgelagerten Ruhrauen die Uferstraße vor noch größeren Schäden bewahrt, bestätigen Anwohner.

Auch der Ruhrverband betont, Witten sei mit seinen Auenflächen im Vergleich zu anderen Kommunen, die eine dichtere Bebauung in Ufernähe aufweisen, schon recht gut für die Aufnahme von Hochwasserereignissen aufgestellt. Sprecherin Britta Balt: „Es gibt ja auch weitere Bemühungen in dieser Hinsicht, etwa die Umgestaltung der Ruhr im Bereich Witten-Gedern.“

Bereiche wie „In der Lake“ müssten jedoch von weiterer Bebauung frei gehalten werden, so der Stadtbaurat. Er appelliert etwa auch an Hausbesitzer, keine Schottergärten mehr anzulegen. „Jede kleine Maßnahme zählt.“ So sieht das auch Ralf Schulz, umweltpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion in Witten.

Klima-Allianz Witten: Müssen gemeinsam Gas geben

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Schulz kritisiert vor allem, dass im Stadtgebiet zu viele Flächen versiegelt seien. Was ihm grundsätzlich fehlt: „Eine Übersicht, wo wir beim Klimaschutz überhaupt stehen.“ Seine Befürchtung mit Blick auf die schleppende Umsetzung des Radkonzeptes oder der E-Mobilität: „Wir haben da noch viel zu bewerkstelligen.“

Da spricht er Werner Frischmann von der Klima-Allianz Witten aus der Seele. Das Kernproblem seien die seitenlangen Klimaschutzkonzepte, die es ja längst gebe. „Wir wissen alles, aber umgesetzt worden ist so gut wie nichts.“ Zwar gebe es seit Januar eine fähige Klimaschutzbeauftragte. Doch nicht nur deren Arbeit werde durch Verwaltungsstrukturen eher gehemmt. Frischmann wünscht sich mehr Aufbruchstimmung. „Wir müssen gemeinsam Gas geben und mutiger werden.“