Witten. Einkaufen, Ausflüge, Urlaub: 90 Jahre lang hat Barbara Rexilius alles mit dem Rad erledigt. Die 100-Jährige erinnert sich an Witten ohne Radwege.
Das kann man kaum glauben: 90 Jahre ihres Lebens hat Barbara Rexilius im Sattel verbracht. Zum einkaufen, im Urlaub, mit den Kindern, immer wurde das Rad als Verkehrsmittel genutzt. Nun ist die Wittenerin 100 Jahre alt geworden. Inzwischen nimmt sie den Linienbus und beobachtet mit Wehmut, wie in Witten Radwege wachsen und die Verkehrswende Fahrt aufnimmt.
„Mir blutet das Herz. Von all diesen schönen Radwegen habe ich nichts mehr“, sagt die fitte Frau vom Sonnenschein. Erst mit Mitte 90 hat sie das Radfahren aufgegeben und ihr Rad der Enkelin vermacht. Die Studentin strampelt damit nun durch Wien. „Die Sturzgefahr wurde mir zu hoch“, begründet Barbara Rexilius diese schwierige Entscheidung. „Als ich mein Auto damals aufgegeben habe, da war das ein Verzicht auf Bequemlichkeit und auf Lebensqualität. Das Rad abzugeben, fiel mir viel schwerer. Ein Rad gehört zur Familie“, sagt sie. „Es ist Sport, Spaß, Kommunikation, alles.“
Gestört haben eher steile Berge als der Autoverkehr
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Barbara Rexilius hat nicht nur ihr Herz an Felge und Speichen gehängt, sie hat sich auch immer für die umweltfreundliche Fortbewegungsmittel engagiert. Der ADFC hat sie zweimal zur „Radfahrerin des Jahres“ gekürt und sie kürzlich zum Ehrenmitglied ernannt. Doch während Barbara Rexilius jahrzehntelang durch Witten kurvte, hatte sich wenig verändert. „Bis auf den Rheinischen Esel, der fährt sich natürlich toll.“ Fahrradwege gab es gar nicht. Es störte sie weniger, im Autoverkehr mitzufahren, als die Topographie Wittens. „Den Berg an der Sandstraße hoch oder die Husemannstraße, darüber habe ich eher gestöhnt“, sagt sie heute.
Denn nur am Ende ihrer Radelzeit ist sie E-Bike gefahren. Mehr hat sie aber ihr leichtes und wendiges Trampelrad geliebt. Auf dem Rahmen stand „taz-Rad“, denn sie hat es als Neukunden-Prämie für das Abonnement der Tageszeitung erhalten. Wobei sie die gar nicht las. Das Tauschgeschäft ging so: Der Nachbar bekam die taz, sie dafür seine WAZ.
Radfahren in Berlin gelernt
Ihre Räder ließ sie immer beim Fahrradhändler Uwe Fielicke warten. „Ich glaube, ich war sogar seine erste Kundin.“ Überzeugt hatte Fielicke sie mit seiner Pfiffigkeit. „Ich habe so kleine Hände, deswegen hat er mir immer Kinder-Bremshebel montiert.“
Gelernt hat sie das Radfahren mit sechs Jahren in dem Berliner Hinterhof, indem sie aufgewachsen ist. Dann folgten die Kriegsjahre ohne Rad, mit Evakuierung, Trümmern. 1958 zog die fünfköpfige Rexilius-Familie aus Ost-Berlin nach Witten. Erst 1970 gab’s eine Wohnung mit einem richtigen Fahrradkeller in einem Mehrfamilienhaus auf dem Sonnenschein.
Bis heute rührig und engagiert
Bis ins hohe Alter ist Barbara Rexilius mit Bahn und Rad in den Urlaub gefahren. Davon zeugen heute die Fotoalben. „Uns sind die Flüsse ausgegangen“, lacht sie, alle wurden mehrfach bereist. Sie empfiehlt übrigens den Tauernradweg von Krimml über Salzburg bis Passau sowie die Tour durch das Werratal.
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Dass Radeln fit hält, beweist Barbara Rexilius, die am 7. November 100 Jahre alt wurde, sowieso. Die gelernte Krankenschwester und spätere Sozialarbeiterin ging bis zur Rente arbeiten. Sie ist Gründungsmitglied des Kreis-Frauenhauses und half dort lange ehrenamtlich mit. Sie lebt noch immer allein im 3. Stock des Mehrparteienhauses und saust zügig die Treppe rauf. Um sich das Leben zu erleichtern, „hab ich mich jetzt aber bei Picnic angemeldet und lasse mir die Lebensmittel hochtragen“. Sie geht wöchentlich zur Gymnastik und engagiert sich im Seniorennetzwerk WiSel. Inzwischen läuft Barbara Rexilius auch oft in die Innenstadt. Aber als leidenschaftliche Radfahrerin hat sie der Sinn des Spazierengehens – ohne Begleitung und ohne Ziel – nie wirklich überzeugen können.