Witten. Die Stadt Witten soll mehr Gas bei der Umsetzung des Radkonzeptes geben. Fahrradfahrer übten bei einer Veranstaltung der Wabe deutliche Kritik.
Wittens Radfahrer mahnen eine schnellere Umsetzung des neuen Radverkehrskonzeptes an. Gerade bei den ersten „Starterprojekten“ wünschen sie sich mehr Tempo seitens der Stadt, wie bei einer Veranstaltung der Wabe am Donnerstagabend (29.8.) im „Alten Fritz“ deutlich wurde. Die Stadt bekundete ihren guten Willen, erste Projekte bald anzuschieben, etwa neue Fahrradparkplätze am Bahnhof, mehr markierte Schutzstreifen, eine Entschärfung der Gefahrenstelle im Bereich Ruhrstraße/Gasstraße in Richtung Ruhrdeichkreuzung Bommern oder eine Lösung für die unklare Situation auf der Bergerstraße.
Ausgerechnet der Mitarbeiter des Planungsamtes, der an diesem Abend für eine Kollegin eingesprungen war, bekam den geballten Ärger der unzufriedenen Radfahrer ab. Für diesen „Mut“, wie es Thomas Strauch von der Wabe nannte, erhielt Referent Henning Fort am Ende aber zumindest einen dicken Applaus. Vorher hatten die rund 50 Teilnehmer ihrem Ärger Luft gemacht, dass zu viele Maßnahme zu lange auf sich warten ließen. Es sind immerhin 433, die im neuen, Anfang Juli vom Rat beschlossenen Radverkehrskonzept stehen und deren Umsetzung in den nächsten Jahren (oder Jahrzehnten) mit insgesamt 15 Millionen Euro veranschlagt wird.
„Wo kriegen wir die Planer her, die das tolle Radverkehrskonzept umsetzen?“
Auch interessant
„Wir haben ein tolles Konzept und sogar Geld. Aber wo kriegen wir die Planer her, die es endlich mal umsetzen?“ brachte die Vorsitzende des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC), Susanne Rühl, den Frust der Radfahrer auf den Punkt. Seit 2011 etwa versuche sie, die Situation auf der Bergerstraße in Richtung Bahnhof zu ändern. Dort erwarteten Autofahrer, dass der Radfahrer nach der Haltestelle auf dem Bürgersteig weiter fährt, obwohl er das gar nicht müsste. So entstünden schnell gefährliche Situationen. Wie auch auf der unteren Ruhrstraße in Richtung Ruhrdeich-Kreuzung, wo der obere Radweg ebenfalls endet und die Gasstraße überquert werden muss.
Dort ist zwar langfristig ein Umbau der Kreuzung mit entsprechendem Raum auch für Radfahrer geplant – aber eben nur langfristig, wie vieles, das Geld kostet und sorgfältig geplant werden muss. Die Radfahrer bangen derweil um ihre Sicherheit. „Ich habe Angst um mein Leben“, sagte ein Mann. Er forderte Schilder, die Autofahrer ermahnen, den nötigen Abstand von 1,50 Meter zu wahren. „In Wildwestmanier“ kämpften sich Radfahrer durch den Verkehr, sagte Susanne Rühl vom ADFC „So kann es nicht weitergehen.“
Provisorische Verbesserungen an unterer Ruhrstraße vor Ruhrdeich-Kreuzung geplant
Die Stadt arbeitet nach eigenem Bekunden an einem Umsetzungskonzept – was lässt sich kurzfristig bewerkstelligen, was ist mittel-, was langfristig machbar. Zu den sogenannten „Starterprojekten“ zählen provisorische Verbesserungen an der unteren Ruhrstraße. Dort sollen – in Richtung Ruhrdeich-Kreuzung – noch in diesem Jahr oder Anfang nächsten Jahres Fahrradfurten markiert, Bordsteine abgesenkt und der Radfahrer über die Haltestelle beziehungsweise den Bürgersteig geführt werden.
Auch diese provisorische Zwischenlösung stimmte nicht alle zufrieden, zumal man sich mit den Fußgängern den Raum teilen müsse. Dennoch werde so die Sicherheit schon einmal deutlich verbessert, sagte Susanne Rühl vom ADFC. 200.000 Euro stehen jährlich zur Verfügung, neben Fördergeldern, die für größere Umbauten beantragt werden sollen.
Kritik gab es ebenfalls an der schwer überschaubaren neuen Kreuzung Husemann-/Ardey-/Dortmunder Straße, wo „man auf die richtige Ampel gucken muss, wenn man als Radfahrer links abbiegt“, wie Planer Henning Fort sagte. Frank Rachenbäumer von der Verkehrsabteilung versprach eine Überprüfung.
Mehr Stellenplätze gegenüber vom Bahnhof ließen sich kurzfristig realisieren
Zu weiteren ersten Anschubprojekten gehören unter anderem eine bessere Lösung für die Bergerstraße, Schutzstreifen auf der Annen- und Wetterstraße – und mehr Abstellplätze im Wiesenviertel, aber gerade auch am Hauptbahnhof. Dort gebe es es einen Planungsauftrag für eine überdachte Stellplatzanlage, so Fort. Hier drängten die Radfahrer ebenfalls auf zügige Lösungen. ADFC-Vorsitzende Rühl: „Wir sollten nicht nur eine tolle Superanlage planen, sondern gucken, wie wir das schnell hinkriegen.“ Sonst, befürchte sie, „vergehen wieder drei Jahre, optimistisch geschätzt“. Sie selbst könne kurzfristig etwas dazu liefern.
Der Rat müsse entscheiden und eine Priorisierung festlegen, sagte Thomas Strauch von der Wabe, der gleichzeitig einräumte: „50 Jahre autozentrierte Verkehrspolitik lassen sich nicht kurzfristig auf den Kopf stellen.“ Doch gerade für die Starterprojekte müssten konkrete „Zeithorizonte“ genannt werden, so dass es etwa bis zur beginnenden Fahrradsaison im März erste sichtbare Ergebnisse gebe. Strauch appellierte an die Verwaltung: „Fangt an!“
Zuhörerin fordert politisches Zeichen, den Autofahrern Platz wegzunehmen
Aus Reihen der SPD wurde darauf hingewiesen, wie „extrem wichtig“ eine Umsetzungsstrategie sei. Sonst drohe wieder ein „Flickenteppich“. Eine Zuhörerin forderte mehr Raum für Radfahrer, statt Kreuzungen weiterhin nur autogerecht auszubauen. „Wir müssen ein politisches Zeichen setzen wollen, den Autofahrern etwas wegzunehmen.“