Witten. Die Stadt hat Pläne vorgestellt, wie sie die „Wutkreuzung“ entschärfen will. Jetzt kontert die Wittener Radfahrlobby – mit anderen Vorschlägen.

Die Stadt will die „Wutkreuzung“ entschärfen. Doch die geplanten Maßnahmen am Nadelöhr zwischen Gasstraße und Ruhrdeich stoßen bei der Wittener Radfahrlobby auf heftige Kritik. Nun hat sie ihre eigenen Vorschläge vorgelegt – und drückt bei der Diskussion darüber aufs Tempo: „Denn wir fürchten, dass die Verwaltung sonst bald Tatsachen schafft“, so der Wittener Fahrrad-Botschafter Andreas Müller.

Einen rot markierten Radweg, der erst über den Gehweg und dann auf einem extra gekennzeichneten Streifen über die Fahrbahn führt, fordern die Lobbyisten.
Einen rot markierten Radweg, der erst über den Gehweg und dann auf einem extra gekennzeichneten Streifen über die Fahrbahn führt, fordern die Lobbyisten. © Müller

Es geht eigentlich nur um ein kleines Stück Ruhrstraße, stadtauswärts zwischen Innenstadt und Bommern. Doch es handelt sich „um die gefährlichste Lücke im Wittener Radverkehrsnetz“, so die Radfahrlobby. Schließlich habe es hier die größte Unfallhäufung gegeben. Streitpunkt ist die Wegeführung für Radfahrer unterhalb der Einmündung Gasstraße. Die Radfahrer haben hier derzeit bis zum Mühlengraben keine eigene Spur, sondern fahren auf der Autofahrbahn.

Wittener Radfahrer sollen „Vorsprung“ bekommen

Um ihnen mehr Sicherheit zu geben, will die Stadt die Haltelinie vor der Ampel unterhalb der Bahnbrücke für Radfahrer um drei bis fünf Meter Richtung Bommern vorverlegen. Diese Pläne hat sie Ende Juni vorgestellt. In der Grünphase sollen die Radler sechs Sekunden „Vorsprung“ vor dem Autoverkehr bekommen. Die ADFC-Vorsitzende Susanne Rühl, die zusammen mit Müller und Andreas Redeker vom Verkehrsclub Deutschland (VCD) die neuen Vorschläge erarbeitet hat, kann darüber nur den Kopf schütteln: „Wenn das die Lösung ist, dann wollen wir unser Problem zurück.“

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Das Radfahren im Mischverkehr, also zwischen den Autos, sei an dieser Stelle grundsätzlich viel zu gefährlich, betonen die Rad-Experten und führen den starken Verkehr sowie die vielen Laster auf diesem Teilstück an. Hier seien fünfmal mehr Fahrzeuge unterwegs, als die geltenden Richtlinien für den Radverkehr (ERA) für den Mischverkehr empfehlen. Dazu kämen das Gefälle und der schlechte Straßenzustand.

Radler komplett im toten Winkel

Die Gefährdung werde durch einen „Vorsprung“ an der Ampel nicht geringer, kritisiert die Radlobby, im Gegenteil: Die Radler würden anschließend bergab überholt und bedrängt. Und wenn sie nicht bereits bei Rot gewartet haben, sondern später an der Ampel ankommen, müssten sie sich zudem noch in den fließenden Verkehr einfädeln. Und seien dabei zu allem Übel auch noch schlecht zu sehen, weil der Fahrstreifen kurvig verläuft. „Die Radfahrer sind dann unsichtbar, denn sie kommen aus dem toten Winkel“, warnt Radbotschafter Müller, der selbst viele Jahre als Stadtplaner für Wittens Straßen zuständig gewesen ist. „Toter könnte der Winkel gar nicht sein.“

Weitere Vorschläge

Weitere Vorschläge zum Umbau der „Wutkreuzung“: Laut Radverkehrskonzept und Lobbyisten soll der Radverkehr jenseits des Mühlengrabens auf dem Gehweg bis zum Ruhrdeich geführt werden. Auch die Busbucht soll dafür genutzt werden.

Auf der anderen Straßenseite werden im Konzept zudem rote Markierungen an der Zufahrt zum Café del Sol vorgeschlagen. Die Lobby möchte hingegen den Radweg auf der Seite ganz rot markieren und fordert einen zusätzlichen Haltebalken bei der Ausfahrt vom Gastronomie-Gelände.

Deshalb schlagen die Lobbyisten eine andere Lösung vor. Sie beruht im Wesentlichen auf dem Radverkehrskonzept, weicht aber in einem entscheidenden Punkt davon ab. Das Konzept, erstellt von dem Fachbüro Planersozietät, schlägt als kurzfristige Lösung vor, den Überweg an der Gasstraße mit einer roten Radfurt zu markieren. An der nächsten Einmündung, dem Mühlengraben, soll der Abbiegeradius für Autos verringert werden. Heißt: Der breite „Zubringer“ zum Graben, auf den noch flott eingebogen werden kann, soll einen engeren Winkel bekommen, damit Radfahrer weniger schnell übersehen werden. Und vor allem: Der Radverkehr soll auf der gesamten Strecke über den Gehweg geführt werden.

Bürgersteig zu schmal für Rad- und Fußverkehr

Die Bushaltestelle soll mit für den Radverkehr genutzt werden, so steht es im Konzept.
Die Bushaltestelle soll mit für den Radverkehr genutzt werden, so steht es im Konzept. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Diesen letzten Punkt hält die Rad-Lobby für keine gute Lösung – zumindest nicht auf dem unteren Teilstück. Hinter Haus Nr. 88 sei der Bürgersteig nur noch 2,50 Meter breit und damit zu eng für Radfahrer und Fußgänger, so die Aktivisten. Sie schlagen daher vor, den Radverkehr dort wieder auf die Fahrbahn zu leiten. Allerdings auf einem rot markierten Schutzstreifen (der auch von Autos genutzt werden kann) und gesichert durch eine vorgelagerte Sperrfläche. Die Radler seien auf diese Weise immer gut zu sehen, heißt es, und sie führen nicht vermischt mit, sondern parallel zu den Autos. Weiterer Vorteil: Die Kurve am Mühlengraben könne so bleiben, wie sie ist.

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Die von der Stadt vorgeschlagene Lösung mit der Ampel sei sicher gut gemeint, betont Andreas Müller. „Aber gut gemeint ist, wie so oft, eben richtig schlecht gemacht.“ Die Probleme an dieser gefährlichen Stelle seien zu groß, als dass sie einfach mit einer neuen Ampelschaltung beseitigt werden könnten. Und letztlich gehe es ja nicht nur darum, den Radverkehr sicherer zu machen, sondern auch attraktiver, so der Radfahr-Botschafter. Beides sei mit „Mischverkehr“ aber nicht zu machen: „Ausflugs-Radler auf dem Weg zur Ruhr trauen sich nicht auf die Fahrbahn – so etwas schreckt ab.“