Witten. Ihnen wird gerade gekündigt, manchen nach 30 oder 40 Jahren bei Völker in Witten. Ist man da schon bereit für eine Jobbörse im eigenen Haus?
Sie kommen direkt von der Schicht, tragen die typischen grünen oder blauen Sweatshirts mit der Aufschrift „Völker“. Die einen haben gerade noch Betten geschraubt, die anderen Nachttische. Fast ein bisschen schüchtern versammeln sie sich vor der Tafel im Eingang der Verwaltung, wo um die zehn Unternehmen Stellenangebote ausgehängt haben. „Jobtag“ beim Pflegebettenhersteller Völker, der sich in Insolvenz in Eigenverwaltung befindet und gerade über 80 Kündigungen rausschickt.
Die Jobbörse, an der überwiegend Wittener Firmen und zwei Betriebe aus dem Märkischen Kreis sowie Bochum teilnehmen, hat Marketing-Chef Rene Deuster mit eingestielt. Einerseits soll den Beschäftigten, die jetzt bei Völker ihren Job verlieren, „niederschwellig und direkt“ die Möglichkeit geboten werden, schnell einen neuen Arbeitgeber zu finden. Andererseits sollen andere Unternehmen die Chance bekommen, an neue Leute zu kommen – um somit die Völker-Entlassungen etwas abzufedern.
Jobbörse aus Witten kommt Unternehmen wie gerufen
In Zeiten des Fachkräftemangels ist selbst eine so kleine Messe, die in Zusammenarbeit mit der städtischen Wirtschaftsförderung zustande kam, äußerst willkommen. Geschäftsführer Jörg Namockel hat sogar den Weg aus Iserlohn nicht gescheut, um vier Stellen an den Mann oder die Frau zu bringen. Seine Firma „Falkon Objekteinrichtungen“ baut Möbel, zum Beispiel für Kaufhäuser, zusammen. Nun sucht er bei Völker Mitarbeiter für die Endmontage. „Die Jobbörse kommt da wie gerufen“, sagt der 59-Jährige.
Am Stand nebenan, bei Ostermann, sind gleich 15 Arbeitsplätze zu vergeben, jeweils fünf in der Küchen- und Möbelmontage sowie fünf weitere für Sachbearbeiter im Kundendienst, also im Büro. „Wer Betten aufbauen kann, kann auch ein Schlafzimmer montieren“, spielt Ostermann-Kundendienstleiter Arnd Kuchenwald (55) auf die besonderen Fertigkeiten der Völker-Belegschaft an. Die stellt mittlerweile seit 110 Jahren Pflegebetten her, ob als ausgebildete Fachkraft wie Tischler oder als ungelernte Helfer.
Zwei Drittel der Belegschaft muss gehen
Viele Firmen suchen Leute
An dem Job-Tag bei Völker haben neben Ostermann, DB Netze (Weichenwerk Witten) und Falkon Objekteinrichtungen die Firmen e-Systems, Friedr. Lohmann, Picard, OLS, Dr. Spang Ingenieurgesellschaft, Pilkington und die Spedition Wollenweber teilgenommen.
Sie suchen unter anderem Mitarbeiter für die Logistik, Fahrer, für die Produktion (etwa Tischler und Schlosser), Elektroniker, Prozessverbesserer, Maschinen- und Anlagenbediener, Projektingenieure, für die Haustechnik, Zerspaner, Mechatroniker und Arbeitsprüfer.
Doch weil die „wirtschaftlichen Rahmenbedingungen“ nicht mehr stimmen, wie es der Marketing-Mann von Völker ausdrückt, stellt das Unternehmen im Wullener Feld nun seine Produktion komplett ein. Das heißt: Zwei Drittel der Belegschaft muss gehen. Die anderen können bleiben, in einer eigens gegründeten Service-Gesellschaft.
Es braucht wohl schon ziemlich viel guten Willen, um in dieser angespannten Situation an der Jobbörse im Verwaltungsfoyer teilzunehmen, mit einer im Hintergrund auf großformatigen Fotos lächelnden Geschäftsführerin: „Herzlich willkommen.“ Nun, so gedrückt die Stimmung unter den Beschäftigten sein mag, am Stand der von „DB Netze“ ist sie es sicherlich nicht.
Weichenwerk Witten sucht 100 neue Leute
Gut gelaunt präsentiert sich eine sechsköpfige Mannschaft, die das Weichenwerk Witten vertritt. Das hat momentan ziemlich gut zu tun und sucht sage und schreibe um die 100 Leute, unter anderem Industriemechaniker, Elektriker und Lagerarbeiter.
Weichenwerk-Betriebsratsvorsitzender Markus Kutscherauer (52) sieht in der Jobbörse des angeschlagenen Bettenherstellers eine „sehr gute Chance für uns und die betroffenen Mitarbeiter“. Und Laura Clemens (26) vom Personalmanagement der DB Netze freut sich darüber, dass mehrere Völker-Leute sogar Initiativbewerbungen abgegeben haben.
Das Weichenwerk wirbt nicht nur mit guten Haustarifen, sondern auch mit bis zu 40 Tagen Jahresurlaub durch Entgeltumwandlung. Olaf Hubel (55), der seit 13 Jahren in der Logistik und als Kraftfahrer bei Völker tätig ist, könnte sich einen Job als Lagerarbeiter bei der Deutschen Bahn vorstellen. Zwar tröstet ihn das „auf keinen Fall darüber hinweg“, nun seinen Job zu verlieren. „Aber vielleicht ist es eine neue Tür, die sich öffnet.“