Witten. Der Wittener Pflegebettenhersteller Völker will seine Produktion einstellen und über 90 Stellen abbauen. Nun ist sogar ein Sozialplan in Gefahr.
Nach den Eisenwerken Böhmer steht nun ein weiterer Wittener Traditionsbetrieb vor dem Aus, zumindest dessen Produktion. Bei der Firma Völker, die seit über 100 Jahren Klinik- und Pflegebetten herstellt, läuft ein Insolvenzverfahren „in Eigenverwaltung“. Über 90 der 170 Beschäftigten droht laut IG Metall die betriebsbedingte Kündigung.
Betriebsrat und IG Metall in Witten wollten Transfergesellschaft
Noch wird bei Völker produziert, voraussichtlich bis zum Jahresende. Verhandlungen über einen Interessenausgleich beim Personalabbau blieben bisher ohne Ergebnis. Die Arbeitnehmerseite wollte eine Transfergesellschaft, mit einem Umfang von 1,1 Millionen Euro. Das hätte zweieinhalb Monatslöhnen entsprochen, heißt es. Die betroffenen Beschäftigten bekämen dann auch nach Produktionsende zirka 80 Prozent ihres Lohns und blieben länger sozialversichert, bevor sie sich arbeitslos melden müssen.
Doch Völker habe nur 200.000 Euro gesichert angeboten, wenn bis zum Schluss produziert wird, und noch mal 200.000 Euro in Aussicht gestellt. „Die Leute wollen nicht nur mit einem feuchten Händedruck abgespeist werden“, sagt Mathias Hillbrandt von der IG-Metall-Geschäftsführung in Witten. Manche Kollegen seien bis zu 40 Jahre im Betrieb.
Geschäftsführerin: Ohne Interessenausgleich droht Regelinsolvenz
Geschäftsführerin Yvonne Risch (37) spricht von einer halben Million Euro, die das Unternehmen angeboten habe. „200.000 können wir garantieren, 500.000, wenn wir ausproduzieren“, sagte sie am Freitag auf Anfrage. Man könne ja nur das zahlen, was noch verdient werde. Weil keine Einigung zustande gekommen sei – die Voraussetzung für die Kündigungen zum 31. Dezember –, wirft sie der Arbeitnehmerseite vor, „mit den Arbeitsplätzen zu spielen“. Denn nun bestehe die Gefahr, dass das Unternehmen in die Regelinsolvenz rutsche.
Völker konzentriert sich im Zuge seiner „Neuausrichtung“ künftig auf Service und Wartung. Dafür werden 35 Mitarbeiter weiterbeschäftigt. „Leider erlaubt der Gesetzgeber dieses Vorgehen, dass keine Sozialauswahl über die komplette Belegschaft erfolgt“, sagt Mathias Hillbrandt von der IG Metall.
Völker macht nur noch mit einer Service GmbH weiter
Die Geschäftsführerin bestätigt am Freitag, dass diese 35 Leute zum 1. Oktober in eine neue Service GmbH übergehen. Erhalten bleiben sollen auch 25 Stellen in der Verwaltung und zehn weitere bei den Service-Töchtern im Ausland. Zu der Service-Gesellschaft zählten hauptsächlich Technik, Ersatzteillager, Motorenfertigung und Instandsetzung, sagt der Betriebsratsvorsitzende Martin Urbach (54).
Völker, dessen hochwerte Pflegebetten immer noch gefragt seien, habe es in erster Linie versäumt, „Vertrieb und Einkauf so aufzustellen, dass man am Markt bestehen kann“, sagt Urbach. Unter dem früheren Eigentümer Heinrich Völker, der auch jetzt wieder seinen Einstieg angeboten habe, seien noch 113 Betten am Tag produziert worden. Aktuell seien es immer weniger geworden, zuletzt nur noch 29.
Das Unternehmen macht die allgemeine Krise für die zugespitzte Lage verantwortlich – „angespannte Rohstoffverfügbarkeiten, deutlich gestiegene Material- sowie Energiekosten“. Die höheren Preise habe man nicht an die Kunden weitergeben können. 70 Arbeitsplätze blieben insgesamt aber erhalten. Was den Stellenabbau angeht, heißt es in einer Mitteilung: „Für die Völker GmbH und den Eigentümer hat ein sozialverträglicher Abbau von Arbeitsplätzen und eine nachhaltige Neuausrichtung des Unternehmens am Standort in Witten oberste Priorität.“
IG Metall spricht von einem „schäbigen Schachzug“
Die Arbeitnehmerseite sieht das etwas anders. Mathias Hillbrandt von der IG Metall: „Die Ausgliederung ist der schäbigste Schachzug, um die Leute kaltzustellen.“