Witten. Jan Wittmaack ist ausgebildeter Kaufmann und sucht einen Job. Wie schwierig das mit einer Schwerbehinderung ist, hat er uns erzählt.

Jan Wittmaack ist jung, hat seine Ausbildung abgeschlossen und steckt voller Tatendrang. „Ich möchte mein Leben selbst finanzieren können“, sagt der 26-Jährige. Fleißig schreibt er Bewerbungen – und bekommt doch nur Absagen. Seit seiner Geburt sitzt Wittmaack im Rollstuhl, kann auch Arme und Hände nur sehr eingeschränkt bewegen. Er sagt frustriert: „Inklusion hört sich toll an, aber wenn es um die Umsetzung geht, will keiner was damit zu tun haben.“

Das beginnt mit den kleinen, aber fast schon normalen Hürden im Alltag: sei es die fehlende oder zugeparkte Rollstuhlrampe am Gebäudeeingang, der wochenlang defekte Aufzug oder die Tatsache, dass er sich für eine fünf Minuten dauernde Fahrt von Wetter nach Witten zuvor erst bei der Bahn anmelden soll. „Das mache ich aus Protest nicht“, sagt Wittmaack. Seit einem Jahr lebt der 26-Jährige alleine in einer Wohnung in Wetter. Möglich machen das fünf Assistenten, die sich abwechselnd jeweils rund um die Uhr um ihn kümmern.

Im Vorstellungsgespräch nicht Ernst genommen

Im Juli 2018 hat der gebürtige Mindener seine Ausbildung zum Kaufmann im Gesundheitswesen am Berufsbildungswerk Volmarstein beendet, arbeitete dort dann auch anschließend für ein Jahr, erledigte leichte Bürotätigkeiten. Eigentlich sollte er in dieser Zeit an einen Arbeitgeber weitervermittelt werden. „Das hatte man mir versprochen, aber es wurde nicht gemacht. Das ärgert mich“, erzählt Wittmaack.

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Seit Juli diesen Jahres versucht der 26-Jährige nun allein, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Am liebsten würde er bei einer Krankenversicherung arbeiten. 15 Bewerbungen hat er schon geschrieben, auch mehrfach Vorstellungsgespräche gehabt. Öffentliche Arbeitgeber sind dazu verpflichtet, Bewerber mit einer schweren Behinderung zu einem Gespräch einzuladen. „Aber das merkt man dann auch“, sagt Wittmaack enttäuscht. Häufig hätten die Personaler mehr über sein Privatleben sprechen wollen, als über den Job an sich, er fühlte sich nicht ernst genommen. „Da frage ich mich dann, warum ich überhaupt da sitze.“

Mit Assistent ins Büro

Er könne sich durchaus in die Lage der anderen hineinversetzen. „Ich verstehe schon, dass man sich fragt, ob ich das wohl alles schaffe, wenn man mich sieht“, sagt der 26-Jährige. Doch er sei bestens gerüstet. „Ich habe ja eine Ausbildung wie alle andern auch, habe meine Prüfung vor der Industrie- und Handelskammer abgelegt.“ Eine spezielle Tastatur und Maus ermöglichen ihm, den PC zu bedienen. Eine seiner Assistentinnen wäre auch im Büro mit dabei. „Aber wir sitzen ja nicht den ganzen Tag daneben, sondern werden gerufen, wenn er etwas braucht“, sagt Assistentin Sabiha Özbas.

936 schwerbehinderte Arbeitslose im EN-Kreis

Bei der Arbeitsagentur waren im Juli 439 schwerbehinderte Menschen im Bereich der Geschäftsstelle Witten (mit Wetter und Herdecke) arbeitslos gemeldet, das waren fast zehn Prozent aller Arbeitssuchenden. Von ihnen bezogen 230 Hartz IV. Im gesamten EN-Kreis waren 936 Schwerbehinderte arbeitslos.

Im vergangenen Jahr unterstützte der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) behinderte und pflegebedürftige Menschen im EN-Kreis mit 93,6 Millionen Euro. 1.441 Personen erhielten Förderung, um allein oder mit anderen in der eigenen Wohnung leben zu können.

Sich auf andere Stellen zu bewerben, kommt für Wittmaack erst einmal nicht in Frage. „Ich habe doch nicht diese Ausbildung gemacht, um dann irgendwas zu arbeiten.“ Auch in eine Behinderten-Werkstatt möchte er nicht: „Das wäre für mich ein Rückschritt“, sagt Wittmaack. „Ich habe mich ja für diesen Weg entschieden, um mich selbst finanzieren zu können.“

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Noch stehen ein paar Bewerbungen aus, auch ans Aufgeben denkt Wittmaack noch lange nicht. Doch ab nächstem Jahr möglicherweise auf Hartz IV angewiesen zu sein, ist für ihn eine schlimme Vorstellung. Denn dann kann er voraussichtlich seine Wohnung nicht halten. Und: „Es ist schon für Nicht-Behinderte schwierig, aus Hartz IV wieder rauszukommen.“ Er habe viel Zeit in seine Ausbildung investiert, wolle nun gerne Vollzeit arbeiten. Sein innigster Wunsch: „Ich möchte nur, dass mir jemand eine Chance gibt. Jemand wie ich könnte für einen Arbeitgeber doch auch ein Aushängeschild werden.“