Witten. Wittener Fußballerinnen sind stolz auf die deutsche Elf. Sie fiebern bei der EM kräftig mit. Und freuen sich über eine Sache ganz besonders.
Wittener Fußballerinnen sind restlos begeistert von der deutschen Frauen-Nationalmannschaft. Seit Turnierbeginn fiebern sie bei jeder Partie mit. Selbst wenn die Elf das Finale am Sonntag (18 Uhr) nicht gewinnt, steht für die Kickerinnen aus der Ruhrstadt ein Sieger schon fest: das Image des Frauenfußballs hierzulande.
Rudelgucken im Vereinsheim des Wittener SV Herbede
Das Interesse an der Sportart nehme wieder Fahrt auf, sagt beispielsweise Angela Westerkamp vom SV Herbede. Das habe sie schon im Vorfeld der Europameisterschaft bei vielen Gesprächen spüren können. Dass jetzt TV-Sender die Spiele live übertragen, sei große Klasse.
Die 31-Jährige hat noch keine Partie der Deutschen verpasst. Für das Endspiel ist „bei uns Rudelgucken angesagt“. Im Vereinsheim startet die EM-Party schon am Nachmittag. Mit England warte ein schwerer Gegner, sagt Angela Westerkamp. Am Ende werde es bestimmt eine knappe Kiste. „Aber ein 2:1 für Deutschland würde ja reichen.“
Nach den Grünen für ihre eigene Fußball-Leidenschaft gefragt, muss sie nicht lange überlegen. „Ich bin auf dem Sportplatz groß geworden“, sagt die begeisterte Kickerin. Sie stand schon am Spielfeldrand, wenn ihr Vater oder auch zwei ihrer Onkel um das runde Leder kämpften. Seit 14 Jahren spielt sie bereits im Verein, jetzt beim SVH, früher beim Hammerthaler SV und „davor gern in der Freizeit“.
Gebürtige Wittenerin Alexandra Popp beeindruckt mit Verhalten und Leistung
Von den deutschen Spielerinnen beeindruckt sie am meisten Alexandra Popp (31), die trotz gesundheitlicher Rückschläge immer am Ball geblieben sei. Sie habe Deutschland zudem ins Finale geschossen. Dass die Gevelsbergerin in Witten zur Welt kam, wenngleich sie hier wohl nie gewohnt habe, sei im Übrigen viel zu wenig bekannt, sagt Westerkamp.
Wie der Sport auch in schweren Lebenssituationen helfen kann
Dass der Sport auch selbst Hilfe bieten kann, erlebt die junge Frau immer wieder aufs Neue. Vor acht Jahren erhielt sie die erschütternde Diagnose, an MS erkrankt zu sein. Der Fußball sei vorher schon wichtiger Ansporn in ihrem Leben gewesen und seitdem erst recht.
Jessica Pudysz, die auch beim Hammerthaler SV spielt, wünscht sich ebenfalls mehr Aufmerksamkeit für den Frauenfußball. Die 29-Jährige, die auch schon mit dem SV Höntrop in der Landesliga gespielt hat, sieht hier großen Nachholbedarf. Die Leistungen der Nationalmannschaft in England findet sie „überzeugend“, vom Finale am Sonntag verspricht sie sich „sehr viel Nervenkitzel“. Es würde sie nicht wundern, wenn der Titelkampf erst im Elfmeterschießen entschieden würde.
Während die Heilpädagogin voraussichtlich daheim vor dem Bildschirm sitzt, ist Carlotta Sesjak dann bei ihren Großeltern in Dubrovnik. Den kroatischen Wurzeln ihrer Familie verdankt sie eine Doppelrolle im Frauenfußball. Hierzulande kickt die 16-Jährige inzwischen für den Essener U-17-Bundesligisten SG Schönebeck. Außerdem gehört sie der Jugendnationalmannschaft von Kroatien an.
Vier Frauenteams
Der Frauen- und Mädchenfußball tut sich aktuell auch in Witten recht schwer. Sportlich ist der Hammerthaler SV als Bezirksligist die Nummer eins, die „großen“ Zeiten mit einem Westfalenligisten (seinerzeit der SV Herbede) sind lange vorbei.
Vier Damenteams gehen in der Saison 2022/23 in den Spielbetrieb, neben Hammerthal sind dies die A-Kreisligisten SV Bommern (zwei Teams) und SV Herbede.
Erfolgreich im Mädchenbereich ist der SV Bommern, der über gleich drei Mannschaften verfügt. Kontakt: Olaf Kunstmann 01590/5278823
Frauenfußball gewinne an Akzeptanz, sagt Carlotta. Das erlebe sie zumindest im eigenen Umfeld. Die Sportart werde auch immer professioneller. Sie wünscht sich, dass noch viel mehr Mädchen und Frauen mitmachen. Die Schülerin des Ruhr-Gymnasiums ist in den Sport hineingewachsen. Ihr Vater Martin hat es bis in die A-Junioren-Bundesliga geschafft.
Töchter holten Vater als Trainer in den Verein
Große Unterstützung im Verein erleben die beiden Frauenmannschaften des SV Bommern 05, sagt Olaf Kunstmann, der eine der beiden Teams trainiert. Quer durch die Bank seien sowohl Frauen als auch Männer dabei, um bei den Spielen die Teams anzufeuern, sagt er. Das habe der Frauenfußball auch verdient, der ansonsten viel zu sehr mit dem Männerfußball verglichen werde.
Das gebe es, so der 52-Jährige, bei keiner anderen Sportart. Kunstmann nennt Handball und Volleyball als Beispiele. Der begeisterte Fußballer ist übrigens über seine beiden Töchter zu dem Trainerjob gekommen. Als der Posten unbesetzt war, gaben sie im Verein den Anstoß, doch mal bei ihrem Vater nachzufragen. Das war vor zwölf Jahren. Dass nun ein Mann Frauenmannschaften trainiere, sei vor allem in den unteren Ligen häufig der Fall. Am Sonntag wird der Ingenieur der deutschen Elf in seinem Urlaubsort am Gardasee die Daumen drücken. Er räumt ihr gute Chancen ein.
Spielerin Oliwia Wos vom „unbändigen Willen“ der deutschen Elf begeistert
Regelrecht begeistert war auch Oliwia Wos vom Auftritt der deutschen Frauenfußball-Nationalmannschaft bei der EM in England. Die 22-jährige Wittenerin, die ab der neuen Saison für den Schweizer Meister FC Zürich am Ball ist, hatte in Sachen Finalprognose auf jeden Fall ein gutes Näschen.
„Mein Tipp war schon vor der Europameisterschaft, dass Deutschland und England ins Endspiel kommen - das hat also gepasst“, so die groß gewachsene Defensivspielerin, die in den letzten Jahren Collegefußball in den USA spielte, in der Jugend beim FSV Witten ausgebildet wurde.
„Ich wusste, dass Deutschland gegen Frankreich gewinnt. Mir hat vor allem dieser unbändige Wille imponiert, diese Entschlossenheit der Spielerinnen. Gerade bei Alexandra Popp und Lena Oberdorf“, sagt Oliwia Wos mit Blick auf die beiden DFB-Auswahlspielerinnen aus Gevelsberg.„Was die Mannschaft in der Defensive geleistet hat, war enorm. Jeder einzelnen Spielerin war anzusehen, dass sie unbedingt ins Finale wollte. Ohnehin hat das Team einen großartigen Charakter“, lobt die Neu-Züricherin die Elf von Trainerin Martina Voss-Tecklenburg. „Wahnsinn, dass sie jetzt vor 90.000 Zuschauern das Finale in Wembley spielen dürfen.“
Wer für Oliwia Wos da der Favorit ist? „Ganz ehrlich: Mein EM-Tipp war vorher schon England - vor allem auch wegen des Heimvorteils. Dort wird gerade tolle Werbung für den Frauenfußball gemacht. Aber wichtig ist: Ich will einfach ein tolles Finale sehen“, sagt Wos, die sich die Partie am Sonntag gemeinsam mit ein paar Züricher Teamkolleginnen anschauen will.