Witten. Ein heißer Sommerabend und starker Film: Einen gelungenen Auftakt feierte das Open-Air-Kino in Witten. Dabei war gar nichts zu hören...
Trotz des bisher heißesten Tages des Jahres hat das „Fahrradkino“ an der Werkstadt am Dienstagabend einen gelungenen Start hingelegt. Rund 70 Besucherinnen und Besucher sind mit dem Rad gekommen, um den Auftakt des von Studierenden des Unikat-Vereins organisierten viertägigen Filmevents zu erleben. Den Anfang machte der preisgekrönte Film „Into the Wild“.
Die Zuschauer haben es sich bei kühlen Getränken teilweise in Strandkörben und Liegestühlen bequem gemacht, niemand muss im harten Sattel ausharren. Die Deko ist an das „rollende“ Open-Air-Kino angepasst. Neben der großen Leinwand steht ein Schuppen, auf dessen Dach sich ein alter Drahtesel befindet, der von Scheinwerfern in lilafarbenes Licht getaucht ist. An den Zäunen ringsherum hängen Fahrradschläuche. Obwohl die Sonne untergeht und den Hof vor dem „Treff“ vor der Werkstadt langsam in ein dämmriges Licht taucht, ist es immer noch sehr warm.
Das Fahrradkino findet nun schon zum dritten Mal statt. Die Idee kam den Veranstaltern 2020, während der Pandemie. „Wir überlegten, was es für Modelle gibt, die coronatauglich sind“, sagt Joscha Denzel von der Werkstadt. Der Gedanke an ein Autokino kam auf. Doch das passe nicht zu einem kulturellen Zentrum. „So kamen wir aufs Fahrradkino, quasi als Mittelfinger an die Autokinos“, sagt der Kulturschaffende schmunzelnd.
Weitere Filmabende
Auch am Mittwoch (20.7.), Donnerstag (21.7.) und Freitag (22.7.) gibt es weitere Filme im Fahrradkino an der Werkstadt zu sehen. Der Eintritt ist kostenlos, Einlass ab 21 Uhr. Die Filme beginnen bei Einbruch der Dunkelheit.Für die Filme darf im Voraus aus rechtlichen Gründen keine Werbung gemacht werden – Zuschauende müssen sich also überraschen lassen. Der Besuch ist spontan möglich, es wird aber um Anmeldung gebeten unter www.werk-stadt.com/programm.
Auch das diesjährige Motto – „weniger ist mehr/degrowth“ – passt zum Fahrrad. „Degrowth“, auch als Postwachstum bezeichnet, bedeutet die grundlegende Veränderung unseres Lebensstils. Durch geringeren Konsum soll das wirtschaftliche Wachstum der reichen Länder eingeschränkt werden – um ärmeren Ländern damit zu helfen. Zum Postwachstum gehört auch, zu alternativen Fortbewegungsmitteln, anstelle des Autos, zu greifen. „Wir sehen das Fahrradkino auch als Symbol für die Mobilitätswende“, sagt Joscha Denzel.
In der heißen Wittener Sommerluft hängt der Duft von Popcorn
In der Luft hängt der Duft von Popcorn. Student und Organisator Anton Schön steht an der Seite neben den Stuhlreihen und schmeißt Maiskörner in die Popcornmaschine, das Getreide poppt und die Auffangschale füllt sich mit dem frischen, süßen Snack. Bevor der Film losgeht, verteilt Mitorganisatorin und Studentin Johanna Heger schwarze, kabellose Kopfhörer, über die der Ton des Films zu hören ist. Denn die Filmreihe ist auch ein „stilles“ Kino, um Anwohnerinnen und Anwohner nicht zu verärgern. Die Dunkelheit bricht herein, dann heißt es „Film ab“.
Nach anfänglichen technischen Startschwierigkeiten geht es „hinein ins Wilde“, wie man den Film „Into the Wild“ übersetzen könnte. Er passt gut zum Thema „Postwachstum“. Es geht um den 22-jährigen Christopher McCandless, der aus privilegierten Verhältnissen stammt, nach dem Studium fast seinen gesamten Besitz aufgibt und zwei Jahre durch Amerika trampt. Sein Ziel ist es, ein bescheidenes Leben in der vollkommenen Abgeschiedenheit zu verbringen. Denn er verachtet Materialismus und Machtbesessenheit der Gesellschaft.
Film berührt Zuschauerinnen und Zuschauer aus Witten
Chris trifft viele Menschen, die ihr Leben mit ihm teilen möchten. Doch der junge Mann sucht die Einsamkeit und die Natur. Denn darin, so glaubt er, sei das wahre Glück zu finden. Die Reaktionen der Zuschauer sind positiv. „Ein schöner Film, gut ausgesucht, und unglaublich tragisch“, befindet der 29-jährige Student Nils, als nach Mitternacht schließlich der Abspann zu laufen beginnt. Denn es gibt kein Happy End.
Alle Besucherinnen und Besucher bleiben noch einen Moment sitzen, um die wunderschöne, aber harte Kost zu verdauen. Dann nehmen sie ihre Kopfhörer ab, erheben sich leise, gehen zu ihren Fahrrädern und radeln in die Nacht hinaus.