Düsseldorf. Das ist existenzbedrohend, sagen Serdar Yüksel (SPD), Tayfun Keltek (Landesintegrationsrat) und Birgit Naujoks (Flüchtlingsrat NRW).

Die Ankunft von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine verschärft die schon seit Monaten angespannte Situation in den Ausländerbehörden in NRW. Der Vorsitzende des Landtags-Petitionsausschusses, Serdar Yüksel (SPD), nennt die Lage katastrophal und spricht von „Behördenversagen“. Die Ausländerbehörden und Ämter für Einbürgerung seien dramatisch unterbesetzt, bestätigen auch der Flüchtlingsrat NRW und der Landesintegrationsrat NRW gegenüber dieser Redaktion.

„Zehntausende Anträge, zum Beispiel auf Einbürgerung und Aufenthaltsgenehmigung, liegen monate- und zum Teil sogar jahrelang unbearbeitet in den Büros und zwar landesweit, von der Eifel bis Ostwestfalen“, sagte der Bochumer Landtagsabgeordnete Yüksel.

Klienten verschwinden "unter dem Radar"

Selbst Personen, die einen klaren Rechtsanspruch auf Einbürgerung hätten, würden nicht eingebürgert. Viele Menschen könnten wegen unvollständiger Papiere nicht zu ihren Verwandten ins Ausland reisen oder Verwandte nach NRW einladen. Migranten hätten wegen fehlender Dokumente Probleme bei der Jobsuche, bei der Gewerbeanmeldung, bei Anträgen auf Kindergeld. „Da entstehen zum Teil existenzbedrohende Situationen“, warnt Yüksel. Viele Klienten der Ausländerbehörden würden „einfach unter dem Radar verschwinden“.

Auch Tayfun Keltek, Vorsitzender des Landesintegrationsrates NRW, erhält immer mehr Hilferufe von Verzweifelten, die in den Ausländerämtern scheitern. Die Probleme seien riesig. „Schon aufgrund der Pandemie waren viele Büros schwach besetzt, Mitarbeitende fielen aus oder arbeiteten im Homeoffice“, erklärt Keltek. Die insgesamt 108 Integrationsräte in NRW müssten sich immer wieder mit diesen Problemen beschäftigen. Oftmals sei es praktisch unmöglich für Antragsteller, jemanden in den Ausländerbehörden zu erreichen.

Strukturelle Probleme in den Ämtern?

Laut Birgit Naujoks vom Flüchtlingsrat NRW haben die ohnehin schwach ausgestatteten und unter einer hohen Fluktuation leidenden Ausländerbehörden nun noch weitere Aufgaben durch die Registrierung von Flüchtlingen aus der Ukraine und von so genannten „Drittstaatlern“, die von dort geflüchtet sind, aber über keine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung in der Ukraine verfügen, zum Beispiel Studierende und Arbeitnehmer. Deren spezielle Überprüfung sei sehr aufwändig.

Vor wenigen Tagen hatte der Städtetag NRW gewarnt, dass die Schulen nicht gut auf die Aufnahme von Schulkindern aus der Ukraine vorbereitet seien.

Naujoks spricht von einem strukturellen Problem in diesen Ämtern: häufig wechselnde Mitarbeitende, hoher Krankenstand, pandemiebedingte Abberufung von Mitarbeitern in die Gesundheitsbehörden, immer neue Aufgaben. Besonders groß seien diese Probleme in den großen Städten in NRW wie zum Beispiel Bochum, Essen, Gelsenkirchen und Köln. Wegen der Pandemiefolgen seien inzwischen aber auch immer mehr Ämter auf dem Lande betroffen.

Yüksel, Keltek und Naujoks sind sich sicher: In kommunalen Bürgerbüros oder Straßenverkehrsämtern würden solche Verhältnisse nicht lange geduldet werden.